Mehrere auch namhafte Mediziner haben am Freitag die Teststrategie der Regierung kritisiert. Die Entscheidung, wer getestet wird, solle ihrer Meinung nach bei den Medizinern und nicht bei 1450 liegen.
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Mehrere auch namhafte Mediziner haben am Freitag die Teststrategie der Regierung kritisiert. Die Entscheidung, wer getestet wird, solle ihrer Meinung nach bei den Medizinern und nicht bei 1450 liegen.
Mediziner haben am Freitag in Linz die derzeitige Teststrategie in Österreich kritisiert: Es werde zu viel und zu "unreflektiert" getestet, etwa bei den Gastro- und Tourismusscreenings. Zudem appellierten sie im Rahmen einer Pressekonferenz der Ärztekammer OÖ, die Tests wieder in die Hände von Ärzten zu legen, und riefen die Patienten auf, sich nicht vor Arztpraxen oder Spitälern zu fürchten.
Die anwesenden, teils namhaften Mediziner drängten auf eine Rückkehr zu einem normalen Betrieb in den Ordinationen. "Die Hoffnung, dass wir das Virus mit strengen Maßnahmen ausrotten können, können wir abhaken", so Franz Allerberger, Leiter des Geschäftsfeldes Öffentliche Gesundheit der AGES.
SARS-CoV-2 werde sich künftig "dazugesellen zu den anderen Winterinfekten. Darauf muss man sich einstellen." Ein Kind, das 39 Grad Fieber habe, gehöre aber in jedem Fall zum Arzt, rief er alle auf, nicht wegen Corona einen Bogen um die Arztpraxen zu machen.
Nutzen muss größer sein als die "Nebenwirkungen"
Gesundheitswissenschafter Martin Sprenger betonte, dass in der Medizin immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gelte. Der Nutzen müsse größer sein als die Nebenwirkung - und verwies auf die "Nebenwirkungen" des Lockdowns: "Arbeitslosigkeit verdoppelt das Sterberisiko", meinte er und wies darauf hin, dass viele Leute wegen anderer Beschwerden - von Herz-Kreislauf- bis hin zu psychischen Problemen - nicht zum Arzt gegangen seien.
"Wenn wir jetzt wieder Ängste schüren, wird die Unterversorgung wieder zunehmen", warnte er davor, dass sich dann erneut viele scheuen könnten, in die Ordinationen zu gehen, aus Angst sich anzustecken. Die am Donnerstag von der Bundesregierung angekündigten Einschränkungen bei Feiern hält er auch nicht für verhältnismäßig: "Verbieten wir Partys wegen anderer Gesundheitsrisiken? Nein." Es müsse sich eben ein anderer Umgang mit Infektionskrankheiten etablieren, so Sprenger, der auch eine Impfung "nicht für ein Exit-Szenario" hält.
"Es wird zu viel getestet"
Kritik übten die Ärzte auch an der derzeitigen Teststrategie in Österreich: Petra Apfalter, Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz, sprach sich gegen die derzeitige Praxis aus, "kreuz und quer" durch diverse Branchen asymptomatische Personen zu testen. "Derzeit messen wir ein Merkmal, das aber nicht zwingend bedeutet, dass jemand krank ist", sagte sie, schließlich würden 90 Prozent der Infektionen "absolut keinen schweren Verlauf nehmen". Auch Wolfgang Ziegler, Obmann der Sektion Allgemeinmedizin in der Ärztekammer OÖ meint: "Es wird zu viel getestet". Die Entscheidung, ob jemand getestet werde, müsse wieder bei den Ärzten liegen und nicht bei der Hotline 1450, meinen beide.
Darüber hinaus befürchten die Mediziner, dass andere - auch schwere - Krankheiten durch Corona in den Hintergrund geraten. Vor allem in der ersten Phase hätten viele vor dem Spital Angst gehabt, sagte Rainer Gattringer, Facharzt für Innere Medizin, Klinische Mikrobiologie und Hygiene am Klinikum Wels-Grieskirchen. Aber die Krankenhaushygiene in Österreich zähle zu den besten. "Trauen Sie sich in die Krankenhäuser", appellierte er. Auch die Hausärzte hätten viel in Sachen Ordinationsmanagement und im Umgang mit möglicherweise infektiösen Patienten gelernt, so Ziegler, mittlerweile gebe es ein räumliches und zeitliches Abstandmanagement etc. "Wir können das managen", meinte auch Sprenger. "Liebe Politik, kein Grund zur Panik, kommt's wieder runter!".
(APA/red)