Schlecker, wo warst Du denn so lange?
Die derzeitigen Krisen der EU zeigen, dass die Osterweiterung ab dem Jahr 2004 weitgehend ein Fehler war. Ich habe schon damals den Kopf geschüttelt, dann beim Beitritt Rumäniens und Bulgariens noch mehr; beim Kroatien-Beitritt war mir, ehrlich gesagt, schon alles wurscht
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Die Briten stellen spätestens seit Thatchers ausgebedungenem Rabatt eine Extrawurscht dar, die nur wegen des damals wie heute guten Willen der Deutschen noch in der EU ist. Auch der Sonderstatus der Kanal-Inseln ist abenteuerlich. Natürlich kann man die Briten für ihr - über Jahrzehnte - tolles Verhandlungsgeschick bewundern (man hätte sich Ähnliches von unseren Politikern wünschen können, z.B. in Sachen Transitvertrag, Bankgeheimnis und Schutz vor Kernenergie in der Nachbarschaft), nur stellt sich halt die Frage, ob eine EU der Extrawürschte Sinn macht.
Dann kommen noch Problemkinder wie Griechenland dazu, die wegen ihrer Schummelei das ganze Finanzsystem ins Wanken gebracht haben, oder Spanien, das scheinbares Wirtschaftswachstum mittels eines unkontrollierten Baubooms erzeugt hat, usw.
Daher zeigen die jüngsten Krisen eigentlich nur, dass es mit der EU in der derzeitigen Form nicht weitergeht. Ich glaube, die weitere Entwicklung wird auf ein Kerneuropa hinauslaufen, das aus den Gründerländern Deutschland, Frankreich und Benelux besteht, dazu möglicherweise noch Irland. Das sechste Gründungsland Italien sehe ich an der Kippe wegen seiner prekären Finanzlage. Auch wir, Schweden und Finnland tun uns mit der Eintrittskarte schwer, wegen unserer Neutralität, und Dänemark, weil es auch einige Extrawürschte hat.
Die Kernstaaten werden sich dann ziemlich leicht auf die meisten Rechtsakte einigen können. Alle anderen Länder werden unter Bedingungen mitmachen dürfen, die die Kernstaaten bestimmen. Für die neutralen Staaten stelle ich mir eine Art "Kreis 2" vor, d.h. wir dürfen an der Wirtschaftsunion mitmachen, haben aber außen- und verteidigungspolitisch nix mitzureden (müssen aber auch keine Soldaten in fremde Länder schicken). Wie sich Dänemark positionieren kann, ist unsicher. Für die ost- und südeuropäischen Staaten bleibt eine Art "EWR neu", d.h. sie kriegen Geld und Zugang zum Binnenmarkt gegen Übernahme der von den Kernstaaten beschlossenen Regeln. Verletzen sie die Regeln, verlieren sie sowohl Geld als auch Zugang zum Markt. Wie es mit dem Euro weitergeht, ist in einem solchen Szenario ehrlicherweise schwer skizzierbar; wahrscheinlich werden die Kern- und "Kreis 2"-Staaten aus der bestehenden Währungsunion austreten und eine neue gemeinsame Währung schaffen. Für UK und die EU wäre es gleichermaßen am besten, wenn die Briten sich aus der Union verabschieden würden, evtl. kann man sich auf ein Assoziierungsabkommen (wie mit der Türkei oder der Ukraine) einigen.
Das wären zwar ziemlich radikale Änderungen, aber anders wird es nicht gehen. Es ist nicht möglich, dass 28 EU-Staaten gleichberechtigt mitreden, egal ob sie was in den Topf ein- oder auszahlen, egal ob sie Verantwortung übernehmen oder alles bequem vom Balkon aus verfolgen. Mit 28 mitentscheidungsberechtigten Staaten hat eine EU sicher keinen Sinn.