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Schon schwierig. Weder kann man eine Ferndiagnose stellen, ohne die Hintergründe zu kennen, noch ist so richtig klar, was Deine Erwartungshaltung an die Mitdiskutanten ist. Ohne Dir zu nahe treten zu wollen, macht es teilweise den Eindruck als ginge es mehr um die Bestätigung des Seelenschmerzes als um einen ehrlichen Rat.Wenn jemand von einem anderen, den er geliebt hat, belogen, hintergangen und betrogen wurde, tut sich derjenige in Zukunft sehr schwer, wieder jemandem zu vertrauen und zu glauben. Insbesondere werden die Worte des Gegenübers, wenn man sich getrennt hat, plötzlich ganz anders wahrgenommen und beurteilt. Man kann dem Gesagten fast keinen Glauben mehr schenken, obwohl man sich am Anfang einer neuen Beziehung ja vor allem im Gespräch kennenlernt. Ich weiß, man soll auch auf die Taten schauen, die sagen mehr, aber das tut nach einem Betrug auch weh, wenn man erkennt, wie sehr man sich im anderen getäuscht hat. Wie kann man das am besten überwinden, vor allem die Angst wieder verletzt zu werden, ohne zu einem gefühllosen, abweisenden Eisblock zu werden?
Fakt ist, so sehr wir in unseren Moralvorstellungen einen "Betrug" (wo auch immer der beginnt) verurteilen: Er ist in den seltensten Fällen einseitig begründet, und er muss auch längst nichts mit verlorener Liebe zu tun haben. Gerade weil man am Partner / an der Partnerin festhalten möchte, aber bestimmte Defizite sich zumindest über längere Zeiträume einfach aus der Lebenssituation heraus auch nicht durch den hartnäckigsten Dialog lösen lassen, holen sich sehr viele der rund 50% Seitenspringer (weiblich fast wie männlich) die vermisste Bestätigung, den vermissten Sex heimlich anderswo. Und in gar nicht so wenigen Fällen löst sich das bei veränderter Lebenssituation auf, ohne dass der gehörnte Partner je etwas mitbekommen hätte. In Deinem Fall ist es halt dumm gelaufen.
Alltag wird dennoch auch in jeder neuen Beziehung Einzug halten, so dass man sich immer wieder neu umeinander bemühen muss. Die Gewissheit, dass der Andere Defizite empfindet, aber nicht das Gefühl gewinnt, auf Verständnis zu stoßen oder Angst hat zu verletzen, wird immer bestehen. Nicht jeder findet im Dialog auch immer geeignete Worte, obwohl schon immer klar war, dass der Ton die Musik macht. Ja, ein Betrug würde mich auch verletzen. Gleich gar, weil meine Frau ihn nicht nötig hat und das auch weiß. Abgesehen davon, dass ich bislang auch keinen Hinweis darauf habe, würde ich für mich analysieren, wie verletzend das Ganze war. Fand es mit jemandem statt, den ich kenne, der mir regelmäßig heimlich ins Gesicht gegrinst hat oder von dem meine Partnerin weiß, dass ich ihn verabscheue? Dann wäre es sicher besonders schwer. Dennoch meine ich, dass man in einer (langen) gemeinsamen Beziehung so viel durchgemacht hat, dass es sich lohnt, darum zu kämpfen und nicht fluchtartig jemandem Platz zu machen, der einfach nur davon profitiert, außerhalb des Alltags zu erscheinen.
Da bei Dir das Kind längst im Brunnen zu sein scheint und nur noch die Frage zählt: Wie kann ich je wieder einem Menschen vertrauen?: Erstens: Du wirst immer Vertrauen wagen müssen, um leben zu können. Zweitens: Vielleicht überdenkst Du in aller Ruhe für Dich Deine Grenzen (die mich nichts angehen und die ich nicht öffentlich erörtern möchte). Vielleicht kannst Du in einer neuen Beziehung auch Grenzen gemeinsam gelassener abstecken, vielleicht sogar so weit öffnen, dass man gemeinsam erleben kann, was andere heimlich hinter dem Rücken des Partners tun.
Ich wünsche Dir Glück und Gelassenheit sowie die Kraft, Deine verständlichen Verletzungen vernarben und hinter Dir zu lassen.