Da die Frage aufgetaucht ist, ob die Zwangsuntersuchung Thema des Threads ist, hier ein Zitat aus dem Eröffnungsposting:
ob denn das professionelle gegenüber auch - wie es das gesetz verlangt - unter wöchentlicher gesundheitlicher kontrolle steht
Zur Frage, wie sich die Behandlung von SexworkerInnen von der allgemeinen Unfreundlichkeit an Ämtern unterscheidet:
hinsichtlich der "Zwangsuntersuchung" ist das kein systemimmantentes Problem (also das nur Prostituierten gegenüber so verfahren wird), sondern wird in Österreich allgemein so gehandhabt, obwohl kein Zwang besteht und die Sinnhaftigkeit in Frage gestellt werden kann.
Um diese Frage systematisch zu beantworten. Es gibt unterschiedliche Verhaltensweisen a bis f von Behörden, die Kritik hier betrifft d und eventuell e:
a) hilfsbereite und zuvorkommende Behandlung ... die gibt es auch!
b) normale Erledigung ... dies sollte der Regelfall sein
c) unfreundliches bis beleidigendes Verhalten
d) erniedrigende Behandlung
e) unmenschliche Behandlung
f) Folter
Folgende Beschreibung fällt noch unter c:
was mir allerdings ebenfalls sehr lebendig in erinnerung geblieben ist, ist die stimme der wärterin, als die die schwarze aufgerufen hat, und ihr keifen, als diese sie nicht sofort verstanden hat [...] DAS ist mir in einem ambulatorium oder bei einem arzt noch nicht passiert.
Der Ausschuss gegen Folter war jedoch über d, erniedrigende Behandlung, besorgt. Hier geht es bereits um die Zufügung von psychischen oder physischen Schmerz, auch durch die Verletzung von Schamgefühlen und einer allgemeinen Missachtung der Menschenwürde.
The State party should ensure that these medical examinations are carried out in an environment where privacy is safeguarded and in taking the greatest care to preserve the dignity of women being examined.
Das Niveau e von unmenschlicher Behandlung wird erreicht, wenn die untersuchten Sexworker zu medizinischen Experimenten gegen ihren Willen missbraucht werden. Dies wurde der Gesundheitsstelle nicht vorgeworfen, es besteht aber die Gefahr dazu, wenn Medikamente ohne Erklärung verabreicht werden: Eine Gruppe von sozial am Rande der Gesellschaft angesiedelten Personen, die wöchentlich untersucht wird, alle 3 Monate zur Blutabnahme kommt, wäre für medizinische Experimente ideal geeignet - und selbts wenn es zu einem Todesfall kommt, wird sich niemand Gedanken machen und das dem "gefährlichen Lebensstil" zuschreiben.
Das Niveau f von Folter wäre z.B. dann erreicht, wenn Sexworker von Beamten in Ausübung ihres Dienstes vergewaltigt werden. Diese Gefahr besteht weniger bei der Zwangsuntersuchung, sondern bei den Polizeimaßnahmen, die diese Zwangsuntersuchung erzwingen sollen (z.B. verdeckte Ermittlung in Privatwohnungen) - und ist international leider nicht unüblich.
Die Verhaltensweisen d bis f verletzen die österreichische Verfassung. Die Zwangsuntersuchung von Sexworkern kann also in der derzeitigen Form (d) nicht weiter geführt werden, wenn die Bundesregierung und die Wiener Landesregierung nicht systematischen Verfassungsbruch betreiben wollen.
wenn ich mich durchs forum klicke habe ich das gefühl, dass es den meisten gästen egal ist, ob eine sw gesund ist oder nicht [...] deshalb bin ich der meinung es ist ihnen egal, anders kann ich mir diesen anstieg was AO service betrifft nicht erklären!
Genau hier liegt das Problem: Die Zwangsuntersuchung verhindert keine Ansteckung. Weil wenn festgestellt werden sollte, dass eine Sexworkerin infiziert ist, dann hat sich ja von einem Mann angesteckt - und dieser Mann verbreitet seine Infektion ungehindert weiter, unter Sexworkern, unter One-Night-Stands, bei seiner Frau und seinen Freundinnen. Hinzu kommt bei HIV, dass ein Mann bei AO zehnmal so ansteckend ist, wie eine Frau (was ja auch logisch ist).
eine kontrolluntersuchung, die erstens unter menschenwürdigen umständen stattfindet und zweitens auch an gründlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt wäre meiner ansicht nach nicht zwangsläufig ein falsches signal [...] so bedeutet es zumindest eine risikominimierung die man ja durchaus gutheissen könnte.
Untersuchungen des deuttschen Robert-Koch-Instituts weisen das Gegenteil nach: In Österreich mit Zwangsuntersuchungen für SexworkerInnen gibt es mehr Syphilis als in Deutschland ohne Zwangsuntersuchung. Der Grund ist das in Österreich verbreitete AO-Service. Es ist deshalb verbreitet, weil die Freier wirtschaftlichen Druck auf die Frauen ausüben, von denen sie annehmen, dass sie wegen der Zwangsuntersuchung gesund sind. Ob sie selber gesund sind, ist diesen Freiern egal, und ob sie die Frauen anstecken, ebenso.
Und gerade deshalb halte ich auch die Kontrolluntersuchung für ein falsches Signal: es wird suggeriert, dass sich die Gäste auf sicherem Boden befinden, kein Risiko (auch bei unsafen Praktiken) eingehen und damit wird der gewollte Effekt der Kontrolluntersuchung ins Gegenteil verkehrt: nicht der Gesundheit sondern den Infektionen wird Vorschub geleistet.
Eine in diesem Sinn bessere Politik wäre es daher,
Safer Sex zu fördern, Werbung für AO zu verbieten (das könnte z.B. die Kronen-Zeitung auch von sich aus machen) und das Gesundheitsbewusstsein von Männern und Frauen durch freiwillige Angebote (auch Streetwork) zu fördern. Diese Politik ist für den Staat auch billiger, als dreimal so viele Ärzte an den Untersuchungsstellen einzustellen, um die von den Vereinten Nationen geforderte menschenwürdige Behandlung der Sexworker zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals erwähnen, dass vor jeder OP etc Aids-Tests stattfinden. Dieser wird automatisiert durchgeführt und nicht auf Verdacht, egal ob bei Jugendlichen oder 60 jährigen Menschen, die vor eine HüftOP stehen und wie ich bereits schrieb, vollkommen unnötig sind.
Dazu hat sich auch die Weltgesundheitsorganisation Gedanken gemacht und empfiehlt, diese unnötigen Tests einzustellen (und Ärzte zu bestrafen, die ohne Einwilligung der Patienten trotzdem testen).
Therefore, Member States are advised to review their HIV testing policies and practices to eliminate any laws, policies and regulations requiring mandatory or compulsory HIV testing and ensure that any such practices cease and that clients tested without their consent have appropriate recourse. The only exception is HIV screening for blood, blood products and before all procedures involving transfer of bodily fluids or body parts, such as artificial insemination, corneal grafts and organ transplant, as recommended by UNAIDS/WHO.
Folgenden Gedanken von @Bulsara kann ich aus diesen Überlegungen daher nur unterstützen: "Auch wenns einfach wäre, dass der Staat für unsere Gesundheit sorgen kann, das ist ein fataler Irrtum. Gesundheit ist eine Frage des persönlichen Verhaltens, diese Verantwortung können wir an niemanden delegieren."