Da muss man MMN unterscheiden. Bei einer Steuerreform halte ich es grundsätzlich für legitim, wenn jene, die eh null Steuern zahlen, auch nicht mehr bekommen
Ja, schon, nur brauchen wir eine Steuerreform (jedenfalls auf diese Art und Weise) so dringend wie einen Kropf. Wenn die unteren Progressionsstufen immer weiter abgesenkt werden, landen wir irgendwann bei einer flat-Tax mit einem Sockelfreibetrag - was natürlich der feuchte Traum aller Großverdiener ist. Verkauft wird es allerdings, und das ist das perfide daran, mit der Idee "damit den Leistungsträgern mehr im Börsel bleibt". Die Hälfte aller Leistungsträger verdient halt gar nicht erst so viel.
Ich muss mir einmal ein mathematisches Steuermodell überlegen, das a) in Summe das gleiche LSt/ESt-Aufkommen generiert wie momentan, b) sich parametrisch aus der Einkommensverteilung ableiten lässt und c) bei 0% beginnt und asymptotisch gegen 100% geht. Damit bräuchte man dann nie kalte Progression oder dergleichen mehr vorschützen, sondern es wäre klar: Jede weitere Änderung geschieht aus gesellschaftspolitischen Motiven heraus (was durchaus legitim ist, aber man sollte es auch genau so kommunizieren).
Geht's um Sozialleistungen, zahlt hingegen jeder ab dem ersten Euro Verdienst was ein, bzw. sein Arbeitgeber. Die bekannten Reformpläne gehen in Richtung des Modells, das in OÖ und im Burgenland bereits beschlossen wurde, d.h. vier Jahre Ansässigkeit als Voraussetzung für die volle Mindestsicherung [...]
Das ist nun ganz eine andere - und vor allem eine zusätzliche - Baustelle als das, was wir gerade besprochen haben und hilft denjenigen unterhalb der ersten Progressionsstufe auch nicht weiter.
Ob es für das Land gut ist, gesellschaftlichen Frust zu schüren und (primär) auf Asylberechtigte zu lenken, sei dahingestellt. Ich kenne da eine Flüchtlingsfamilie etwas näher, im Prinzip der Klassiker: Mann kam über die Balkanroute nach Wien, hat hier Asyl beantragt und bekommen, Familiennachzug von Frau und drei Kindern. Die machen mit ihrer (noch ungekürzten) Mindestsicherung keine großen Sprünge, aber sie können sich immerhin eine Wohnung mit zwei Zimmern leisten. Der Mann tut, solange ihm die Kinder in der Wohnung eine Chance lassen, den ganzen Tag kaum etwas anderes, als Deutsch zu üben und in seinem Job (Informatik) fit zu bleiben. Es war am Anfang unglaublich zäh, aber diesen Montag hat er doch tatsächlich einen Job bekommen und zahlt ab sofort etwas ins Sozialsystem ein, anstatt etwas herauszunehmen. Finanziell steht er vorerst einmal nur einen kleinen Tick besser da als zuvor, aber für das Selbstwertgefühl ist das ein riesiger Schritt.
Und jetzt stelle ich mir die gleiche Geschichte mit halbierter Mindestsicherung vor: no way ever, das hätte nicht funktionieren können.
Von den Steuerreformphantasien der drei großen Parteien halte ich gar nix
Bei der ÖVP sind wir uns da eh einig, siehe oben, aber was gefällt Dir an den SPÖ-Phantasien nicht?