Es ging schleichend, aber jetzt ist es doch schon sehr lange her, dass ich mit meiner Partnerin Sex hatte. Grund dafür sind zwei körperliche Beeinträchtigungen, bei denen sich die Medikamente auf die sexuelle Lust auswirken. Verlassen ist aber kein Thema für mich, aber nun bin ich soweit, meine Fantasien heimlich ausleben zu wollen. Sie würde sich sicher trennen wollen, wenn ich ihr sagen würde, dass ich das Verlangen danach habe. Wem geht es ähnlich?
Sexuelle Unlust... tatsächlich bin ich immer ein bisschen irritiert, wenn bei Menschen, die sich lieben und bei denen gefühlsmäßig alles im Lot zu sein scheint, die aufrichtig zueinander und glücklich miteinander sind, oder das zumindest beteuern, das als Thema hervorgehoben wird. Was ist Sex? Was ist es, aneinander zu lecken, zu saugen, sich zu schmecken, zu küssen? Ist das Sex? Oder ist das einfach nur ein Ausdruck von Zärtlichkeit? Und wenn es Sex ist, wo ist der Übergang? Wenn ich sexuelle Unlust verspüre, wo fängt sie an und wo hört sie auf? Berührungen, Liebkosungen, Innigkeit... spielt es wirklich eine Rolle, ob sie die Geschlechtsteile einbezieht? Braucht es dazu unbedingt so etwas wie 'sexuelle Lust'? Oder genügt es nicht einfach, sich gern zu spüren, die Haut, die Wärme, das Streicheln, weiche Lippen, eine feuchte, zärtliche Zunge... Ja, was weiß ich. Für mich war Zeit meines Lebens sexuelle Unlust immer nur eine Unlust auf den Menschen.
Vielleicht ist es engstirnig, das so zu sehen, vielleicht tue ich vielen damit unrecht. Vielleicht aber trifft es auch den Kern der Sache. Bei 'sexueller Unlust' glaube ich, dass es viel mehr Sinn macht, sich das partnerschaftliche Miteinander anzusehen, als vorschnell Medikamente, hormonelle Störungen, oder andere Beinträchtigungen als Grund dafür anzuerkennen und anzunehmen. Ich schließe es nicht kategorisch aus, glaube aber, dass der Anteil dieser Fälle verschwindend gering ist und es durchaus auch bequem sein kann, sich damit abzufinden, um sich nur nicht mit Wesentlicherem zu beschäftigen.
Dass es vorkommt, das will ich gar nicht bestreiten. Und dann ist es natürlich ebenso wichtig, das anzuerkennen.