Jetzt aber ganz ehrlich: Wer glaubt allen Ernstes, dass solche gewaltigen Demos wie am Heldenplatz, mit putzig zurechtgeschnittenen Wellpappenschildchen, Putin tatsächlich zum Umdenken bewegen könnte?
Noch ein weiteres, vielleicht sehr ketzerisches Argument: Moralisch und integer, mag es zwar durchaus sein, seine Solidarität öffentlich zu bekunden. Sofern man nicht mit Repressionen rechnen muss - und nachher mit dem guten Gefühl "ein Zeichen gesetzt" zu haben, friedlich-heldenhaft den Polster zu umarmen.
Für mich stellen solche Maßnahmen lediglich einen Beitrag der eigenen Seelenhygiene dar, "wir haben nicht weggeschaut, haben dem Diktator die Stirn geboten." Na und? Putin wird sich geblendet von den ukrainischen Farben, den massiv einschüchternden Schildchen aus Kindergartens Kreativwerkstatt - und vor allem vor der erdrückenden Übermacht der Demonstranten nun gebrochen schluchzend im Kreml am Häusl sitzen???
Und ich weiß auch nicht, ob unsere Leute, die Jahrzehnte nur den Frieden kannten, sich mit einer "singenden Revolution", die das gesamte Baltikum von der Sowjetmacht, friedlich befreit hatte, selbst einbringen würden.
Wer je im "Okkupationsmuseum" in Tallinnn war, wer je mit nicht nur jungen Esten und auch Estinnen gesprochen hat, die sich zu "kaitseliit" (kaitseliit.ee) gemeldet haben, hhmm, ich wage sehr zu bezweifeln, dass sich bei uns tatsächlich auch jene Verteidigungsbereitschaft finden würde, wie in Estland und in Lettland.
"Kaitse kodu", "Verteidige die Heimat", ist nicht nur der Titel des Periodikums, sondern wirklich die Überzeugung dieser Leute. Und im Prinzip ist es Putin ebenfalls schnurzegal, ob die Wiener Linien "Zeichen setzen". Aber es streichelt eben das ego.