Ich bin für die Polyamorie geboren, weil mir oft ein Lächeln von jemandem genügt und schon bin ich verliebt. Für 5-10 Sekunden. Oder man liest etwas von jemandem und denkt sich "Wow" und schon ist man geneigt sich dem Herzklopfen hinzugeben und darüber den Verstand zu verlieren. Für 10 Minuten. Ich war nie nur in einen Menschen verliebt; ich sitze manchmal neben jemandem in der Straßenbahn und die Frau riecht gut und ich muss sie schon dafür lieben. Oder ein Mann zerrt an seiner Krawatte und wirkt dabei wie ein eingesperrtes Tier - mein Herz hat er sofort erobert.
Aber ich kann nicht mit allzu viel Personen gleichzeitig eine beständige Bindung aufbauen, nicht einmal Freundschaften, da verliere ich schnell den Überblick und bin lieber minimalistisch.
Heute 9:10 Sitzungssaal
Besprechung
Wir betrete den Raum, ich mit meiner Chefin
Ich sehe (nur von hinten) zwei Frauen schon am Tisch sitzen und sich miteinander unterhalten.
Ihre Haare waren schön!
Den Tisch umrundend erblicke ich zuerst ihr Profil, immer mehr von ihrem Gesicht und schließlich ganz frontal.
Sie starrt mich mit weit aufgerissen Augen an, ich merke dass meine (neue) Chefin das ganze beobachtet, dennoch, ich starre zurück.
Sie wird rot, ich vermute ich nicht, aber von mir wird ja auch heute nichts erwartet werden hier, also kann ich´s ja recht entspannt angehen.
Ich merke wie verlegen die Frau, um die 30 bildschön, elegant, sehr jugendlich und sie hat einen Dr. vor ihrem schönen Vornamen in meiner Gegenwart wird.
Die ganze Zeit versuch ich sie nicht zu fixieren. Aber es gelingt nicht immer. Wenn einer Frau etwas irgendwie unangenehm ist, ist es auch für mich unangenehm.
Bisher würde ich sagen, dass ich die Frau liebe.
Mehr als 5-10 Sekunden, aber doch vermutlich weniger als 10 Minuten.
Sie besprechen Problemfälle und entscheiden gleich darüber.
Total konzentriert verfolge ich die Standpunkte der unterschiedlichen Teilnehmer und merke, dass hinter diesem so schönen Antlitz doch ein recht hartes Herz steckt.
Gut, sie muss einer der Positionen der Sozialpartner einnehmen und ist irgendwie gebunden.
Meine Liebe schwindet und schwindet. Aber ihre Schönheit ist berückend und ich scheine ihr auch gut zu gefallen.
Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei.
Sie erhebt sich, erst jetzt kann ich ihren ganzen ( sehr gut gebauten) Körper erblicken und ihr geschmackvolles Weiß-Schwarzes Kleid. Ja Geschmack hat sie!
Aber zu wenig Herzensbildung.
Beim Verabschieden blickt sie mir tief und lange in die Augen. Es gibt mir einen Stich. Sie wünscht mir alles gute und ihre Hand verweilt etwas länger als üblich an meiner.
Ich lächle sie an. Sie zurück.
Es bleibt Gefallen, aber Liebe ist es definitiv keine mehr.
In meinem Zustand derzeit, wäre das auch gar nicht möglich.
Polyamorie hin oder her.
Seggs, drei Ecken innen und drei außen natürlich! 
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