Dienstleistungen Diverses Backgrounddiskussionen über das Gewerbe

Wenn ich mir so ansehe was im "Volk" so alles an Einstellungen und Meinungen herumirrlichtert (Pandemie als Paradebeispiel) dann beunruhigt mich das mehr und das hat auch weit grössere Auseirkungen auf die Volksgesundheit als ein paar, die (Pay-)Sex ohne Schutz haben.
Sex ohne Schutz ist nämlich im privaten Bereich, also bei Millionen, der Normalfall. Und es soll mir keiner erzählen dass mehr als 10% monogam agieren. DA tut sich, was die Volksgesungheit betrifft hundertmal mehr (Die Hautärzte können ein Lied davon singen) als bei den paar tausend SW's die erstens sehr bewusst agieren und zudem, so gemeldet, regelmässig untersucht werden.

Es ging aber in dem von Dir zitierten Beitrag nicht um die Sw, die "bewusst agieren und regelmäßig untersucht werden", sondern um die anderen.
Und die sexuellen Handlungen von Privatpersonen mit denen von Sw zu vergleichen ist vielleicht gut gemeint aber problematisch.
 
Lesenswertes Interview mit Sabrina Sanchez und Luca Stevenson von ESWA ( European Sex Workers Alliance) im "Moment": "Die meisten Menschen arbeiten nicht aus Spaß"
Das soll der Anstoss und der Anknuepfungspunkt fuer mich sein, doch kurz (zumindest) vom ersten Tag der Sexworker-Konferenz in Wien zu berichten.
Ich moechte durch diese Anmerkungen/Beobachtungen keinerlei Shitstorm ausloesen und setze auch ausdruecklich meinen Disclaimer, sollte ich irgendetwas missverstanden haben oder jetzt hier missverstaendlich oder falsch ausdruecken.

11.00-11.30h Welcoming and Introduction by Aaron and Trajche from Red Edition (GER/EN)
11.45-12.30h The diversity of the sexindustry & work-migration by tyga dares (EN)
12:30-12:45h Coffee Break
12.45-13.30h Advancing sex workers' rights in Europe: obstacles, successes and lessons from ICRSE by Luca Stevenson (EN)
13.30-14.30h Lunch Break
14.30-15.45h Panel disscusion: Community Engagement with tyga dares, Luca Stevenson, Jessica Stoya, Sabrina Sanchez, Velvet Steel / Fabienne Freymadl (EN)
16.00-17.00h Medienhuren - Vom Spannungsverhältnis von Sexarbeit und Medienlandschaft by Velvet Steel / Fabienne Freymadl (GER)

Tyga Dares arbeitet bei/mit dem in Linz ansaessigen Verein MAIZ, der sich eigentlich auf ein breiteres Arbeitsspektrum, naemlich grundsaetzlich die Beratung und Betreuung von Migrantinnen, konzentriert. Ein paar Schwerpunkt ihres Referats:
  • Fuer SW aus dem Ausland ergibt sich ein doppeltes Problem: der Migrationshintergrund und die (allgemeinen) Probleme von Sexarbeiterinnen
  • Der Begriff "Migrantinnen" ist leider sehr negativ besetzt und damit diskriminierend; Zuwanderinnen aus DE oder dem UK werden nicht in diese Kategorie gesteckt.
  • Es gibt im P6 die Dichotomie "privilegierte, weisse, freiwillige" vs. "arme, migrantische, ausgenuetzte/erzwungene" Sexarbeit - wir kennen diese Diskussionen ja auch aus dem Forum.
  • Tyga leitet daraus (fuer mich etwas einseitig und kuehn) ab "Arbeit zur Selbsterfuellung ist ein neoliberaler Mythos" - wobei ich mir vorstellen kann, dass in der Arbeit im MAIZ dieses "mythische" (aber meiner Meinung nach durchaus existente) Konzept der Sexarbeit kaum oder nicht vorkommt.
  • Tyga beklagt - durchaus mit Bezug auf eines der (wenn nicht das) Hauptargument(e) der Abolitionist(inn)en -, dass Sexarbeit so reflexartig mit Menschenhandel verbunden wird.
Siehe auch (Paywall)


Luca Stevenson ist seit vielen Jahren ein engagierter Interessenvertreter fuer SW mit seinem Haupttaetigkeitsgebiet in Frankreich (u.a. bei/mit STRASS, der frenazoesischen TDS [= travailleurs/-euses du sexe] -Gewerkschaft) und Belgien. Er war bis vor kurzem Chefkoordinator von ICRSE (dem International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe - siehe dazu auch vor einiger Zeit mein Hinweis auf einen Lobbying-Erfolg von ICRSE im Europaeischen Parlament und auch hier).
Irgendwie ist ICRSE jetzt uebergegangen auf ESWA, und teilweise scheint ein neues Team an der Arbeit zu sein. Chefkoordinatorin ist jetzt Sabrina Sanchez, selbst (private Anmerkung: etwas schrille) Trans-SW aus Lateinamerika.
  • Luca stellt ICRSE/ESWA vor und betonte drei Hauptarbeitsfelder, die mir aus meiner eigenen Taetigkeit in der Interessenvertretung sehr bekannt vorkommen:
    • Building capacity, d.h., den SW selbst zu ermoeglichen, ihre Arbeit besser, effizienter, selbstbewusster, ... ausfuehren zu koennen. ZB durch Workshops, u.a. in den Bereichen Gesundheit, Kommunikation und Marketing, Recht, ...
    • Advocacy/Policy, d.h. die Einflussnahme auf politischen und gesellschaftliche Meinungsblidungsprozesse zum Thema Sexarbeit Kampagnen, oeffentliche Veranstaltungen, politische Statements und schriftliche Stellungnahmen
    • Research and Evidence Building, d.h. - unerlaessliche Voraussetzung auch fuer Advocacy - die Sammlung von Fakten und Zerstreuung der Falschinformation, die ueber den Sektor der Sexarbeit regelmaessig in die Welt gesetzt wird.
  • Er betont, dass das "Movement", also die Organisation von SW zur gemeinsamen Interessenvertretung, waechst und daher immer staerker ...
  • ... organisierte Arbeit in der Vertretung braucht ...
  • Die groesste Gefahr bei dieser Entwicklung sieht er in internen Konflikten innerhalb des Sektors.
  • (Anmerkungen Archie:
    • Genau das sehen wir ja auch im Mikrokosmos Oesterreich - Schön im Kreis bezeichnen einander die einzelnen Interessenvertreter[innen] und -vereinigungen als jeweils inkompetent, unrepraesentativ, schaedlich usw.
    • Das Basisproblem ist halt - und das wurde auf der Konferenz zwar oft beschworen, aber dann nicht in Konequenz weitergedacht -, dass der P6-Sektor schon SW-seitig sehr heterogen ist und einzelne Gruppen dann ihre Partikular-Challenges (zB Migrationshintergrund, Sprachen, LGBTQIA* , ...) nicht nur in den Vordergrund stellt, sondern manchmal auch zum alleinigen Problem hochstilisiert.)
  • Waehrend des gesamten Tages wurde ein Satz immer wieder als Kernproblem in der (bisherigen) Interessenvertretung fuer SW angesprochen: "The representatives are not representative". (Dazu merke ich, auch aus eigener beruflicher Erfahrung, an: Solange dies ein Vorwurf der aussenstehenden Stakeholder = der Adressaten der Arbeit ist, ist das unvermeidbar, und dieser Vorwurf ist nur durch intensive Arbeit zu widerlegen. Kommt der Vorwurf aus der vertretenen Community, so ist er fuer die Vertretungsarbeit toedlich. Aber leider glaubt halt oft jede einzelne Gruppe in einer so vielfaeltigen Branche, dass ihre Probleme, Ansichten und Mitarbeiter die allein repraesentativen sind.)


Zu ESWA, Sabrina und Luca hier auch nochmals der Link zum Interview mit ihnen anlaesslich der Konferenz:

Ich hoffte, dass in der Diskussion nach der Mittagspause dann noch ein paar Aspekte der Lobbyarbeit neu zur Sprache kommen wuerden, vor allem auch, weil mit Irena Fercik die Policy Officer (also irgendwie Chef-Lobbyistin) der ESWA auf dem Sofa Platz nahm, die selbst eher aus der Arbeit zum Thema Menschenhandel kommt und (ich hoffe, ich habe das richtig verstanden) keine Erfahrungen als SW hat. Ich habe mir erlaubt, in einer Wortmeldung eine kurze Anmerkung dazu zu machen, dass effektive Interessenvertretung ein Arbeitsgebiet und ein Skill an sich ist, unabhaengig vom spezifischen Fachgebiet - weil die Fachinfo in einem Verband ja letztlich von den Mitgliedern kommt, aber von Lobbying-Experten transportiert werden kann/sollte.

Ein Satz, der auch durchgehend immer wieder aufkam, mir als wesentlich wichtiger als der oben zitierte vorkommt und eigentlich der Kern und Driver der Interessenvertretung jeder Branche, jedes Volkes, jeder Gesellschaftsgruppe, jedes Anliegens sein muss:
Nothing about us ... without us! Dazu dann auch noch gleich,

... als Abschluss des Tages Fabienne Freymadl / Velvet Steel (zb auch hier oder hier), die einen sehr interessanten Querschnitt durch Aspekte der Medienarbeit gibt: Einerseits berichtet sie ueber die Ergebnisse einer Auswertung des Artikelarchivs des Berliner Beratungs- und Vertretungs-Vereins Hydra eV. Andererseits gibt sie Tips, worauf SWs (und ihre Vertreter(innen)) bei ihrer Medienarbeit besomnders achten sollten.

Ich bemuehe mich derzeit noch, ihre Praesentation zu bekommen, um mir die Wiedergabe der gut strukturierten Slides hier zu ersparen. Sobald ich sie habe, werde ich sie hier (samt Link zu diesem Monsterposting) hereinstellen.

A propos Monsterposting: Ich bin jetzt hungrig und gehe mittagessen ... und wenn ich zurueckkomme, werde ich die Tippfehler etc. in diesem Posting nicht ausbessern. Mahlzeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ging aber in dem von Dir zitierten Beitrag nicht um die Sw, die "bewusst agieren und regelmäßig untersucht werden", sondern um die anderen.
Und die sexuellen Handlungen von Privatpersonen mit denen von Sw zu vergleichen ist vielleicht gut gemeint aber problematisch.
Es ging um die Volksgesundheit, das ist ein Begriff der sich auf das Ganze bezieht.
Problematisch finde ich, das was "privat" massenhaft abgeht, zu vernachlässigen und mit dem Finger sofort auf Andere zu zeigen.
Und denke, dass die paar hundert SW welche auf irgendwelchen Plattformen AO anbieten und ja auch nicht krank sein/werden wollen jedenfalls nicht ein massgeblicher Faktor sind.
Die im Escort Bereich tätigen Anbieterinnen haben zumeist keine Kontrollkarte und es passiert kaum etwas.
All das kann m.E. quantitativ auf keinen Fall eine besondere Gefährdung der "Volksgesundheit" darstellen.

Da ist die Journaille mit ihrer Volksverdummung eine weitaus schlimmere Gefahr für diese.
 
Nebenfront:
Die in Wien geltenden Vorschriften ueber Sicherheitsvorkehrungen in Prost-Lokalen wurden im Sommer geringfuegig ergaenzt und edit (siehe Rueckmeldung PSBg): geaendert. Die seit 13.08. geltenden Bestimmungen finden sich hier.

Ergaenzt wird, dass die Funktion eines Notausgangs/Fluchtwegs auch durch einen Notausgang durch ein Fenster erfuellt werden kann.
Die neu aussehenden Bestimmungen (Par 2(4a) und Art II Abs 4) ueber Sicherheitsbeleuchtung und Rauchwarneinrichtungen waren auch schon in den Uebergangsbestimmungen der Vorgaenger-VO ABl 2013/29 enthalten. Neu ist allerdings, dass die Rauchmelder - sollte mehr als einer erforderlich sein - jetzt unbedingt miteinander vernetzt sein muessen.

Hinzugefuegt wurde auch eine Definition von "Nutzer(inne)n" eines Prostlokals - die Anzahl der Nutzer bestimmt dann den Level der Sicherheitsvorkehrungen. Einzurechnen sind SWs und Freier, nicht aber offenbar eine etwaige Telefonistin (sowie - aehhh - andere "zufaellig" im Lokal aufhaeltige Personen).

lol:
"Bei der Feststellung, ob sich das Prostitutionslokal für die Nutzung durch höchstens zehn Personen (§ 3) oder mehr als zehn Personen eignet (§ 4), ist die Anzahl der Räume, die zur Erbringung sexueller Dienstleistungen bestimmt sind, heranzuziehen und von zwei Nutzern oder Nutzerinnen pro Raum auszugehen".
 
Zuletzt bearbeitet:
Finde da wurde für viele Betriebe eher gelockert. Bei mir wurde vor dieser Verordnung schon so kontrolliert. Denke da wurde einfach Gesetzestext an die Praxis angepasst.
 
Einzurechnen sind SWs und Freier
Hat da der Gesetzgeber auch berücksichtigt, dass manche SW´s auch mehrere Freier gleichzeitig empfangen? Siehe:
Mit wie vielen Freier rechnet der Gesetzgeber bei einem Gang Bang?
:hahaha:
 
Mit wie vielen Freier rechnet der Gesetzgeber bei einem Gang Bang?
Ich weiss nicht, ob der Rudi nicht eh auch noch anderen Bauvorschriften unterliegt.
Aber an die Unschaerfe beim Dreier hab ich auch schon gedacht.
PS: Wenige Studios haben fuenf oder mehr Verrichtungszimmer.
Und fuer die meisten groesseren Etablissements gelten dann eh schon wieder andere Regeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe ich Auch gerade im StraStri forum gepostet. Ob das eine bekannte ist 🤔. Erschreckend wenn man so die Hintergründe erfährt bzw wer weiss wie oft sowas im Business passiert ohne dass man es mitbekommt.
 
Ich hab keinerlei Sachwissen in dieser Angelegenheit. Dass O noch immer in Wien ist (oder sich getraut hat, zum Prozess wieder nach Wien zu kommen), weist für mich drauf hin, dass sie nicht auf eine Bereicherungstat ihrerseits aus war.
Wenns so war, wie die Richterin ihrem Urteil zugrunde legt - und nochmals: ich weiß es nicht und will nicht (vor)verurteilen! -, dann hoffe ich doch irgendwie, dass das Urteil sant Strafmaß hält.
Und groß überall publiziert wird!
 
Das traurige an der Geschichte ist ja, dass so etwas leider öfters vorkommt (vielleicht nicht in dieser Dimension, aber wohl in abgeschwächter). Va in Laufhäusern können die Securities noch eingreifen und schlimmeres verhindern. Jetzt, wo sich (leider) immer mehr in Hotels bzw Wohnungen verlagern zu scheint, ist dieses „Sicherheitsnetz“ bei einigen SWs weggefallen. Ob die Story stimmt oder nicht kann ich nicht sagen, aber mir hat eine mir gut bekannte SW erzählt, dass sie immer ihren Freund in der Nähe positioniert und dieser auch schon 2 mal eingegriffen hat und die freier dann zu recht gewiesen (Dh vermöbelt) hat. Ich persönlich glaube, dass eine SW , welche das - sagen wir mal - halboffiziell macht wohl eher nur in Ausnahmefällen die Polizei involvieren wird. Deshalb hoffe ich, dass die meisten wieder in sicherere Locations zurückkehren werden. Aber der Profit und daher die Verlockung für so manche SW ist halt geößer, wenn du nicht proWoche 700 Euro oder so Miete zahlen musst.
 
Als Laie: in dem Artikel geht es um einen Fall des Straßenstrichs..? Und schwupps ist das schon allgemein auf Haus- und Hotelbesuch ausgedehnt... Wobei ich schon mitbekommen habe, dass das nicht legal ist. Worauf ich hinaus will ist, dass da ein nicht bewiesener Zirkelschluss gemacht wird.
Ich finde, dass so die Politik "argumentiert": es kommt zu einem Vorfall - deswegen muss es komplett alles illegalisiert werden... So kommt es mir argumentiert vor...
 
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