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Lieber Prinz,Zunächst sollte man sich für Gewinnmitnahmen ein paar grundsätzliche Dinge sorgfältig überlegen.
Warum ist es gerade jetzt der richtige Zeitpunkt Buchgewinne zu realisieren? Warum steigt der Aktienkurs momentan? Welche wirtschaftlichen oder politischen Entwicklungen beeinflussen den Aktienkurs nachhaltig? Wie lässt sich die Marktlage einstufen? Welche Gründe gibt es, jetzt in einem intakten Aufwärtstrend zu verkaufen? Je nach Risikoprofil wird man zu unterschiedlichen Antworten auf diese Fragen gelangen und sich unterschiedlicher Strategien bedienen, um die realisierten Gewinne zu maximieren. Einen goldenen Weg, eine beste Trading Strategie, die für alle gleichermaßen gilt, gibt es dabei nicht.
Einsteiger in den Wertpapierhandel werden dabei vermutlich recht rasch auf die sogenannte Stop Loss und Take Profit Strategie stoßen. Dabei handelt es sich um eine vergleichsweise konservative und einfache Tradingstrategie.
Der Sinn dahinter: Man kann mit einem Stop Loss ein Abrutschen ins Minus verhindern und somit die Verluste begrenzen, ohne dabei die Kursentwicklung ständig beobachten zu müssen. Besonders bei volatilen Kursen bzw. Finanzinstrumenten können Trader sich mit dem Stop Loss Orderzusatz effektiv schützen. Auch hier gilt: eine allgemein zu bevorzugende Stop Loss Strategie gibt es nicht, man kann jedoch empfehlen, den Stop Loss mit zunehmender Volatilität eines Wertes näher an den aktuellen Kurs zu platzieren. Erfahrene Trader wählen oft einen Stop Loss, der zwischen 5 % und 10 % unter dem jeweils aktuellen Kurs liegt. Dabei zu beachten gilt: wird ein Stop Loss zu eng gesetzt werden dadurch mitunter Wertpapier abgestoßen, die sich umgehend wieder erholen und dann steigende Kurse verbuchen.
Wird der Stop Loss zu tief angesetzt, steigt das Risiko unerwünschter hoher Verluste, bevor es bei einer Talfahrt des Wertpapiers zum Verkauf kommt.
Weiters gilt es zu bedenken, dass ein ausgelöster Verkaufsauftrag nicht bedeutet, dass er genau zu dem im Stop Loss festgelegten Preis stattfindet. Der Verkauf erfolgt vielmehr in Form einer „Bestens“ Order. Dies bedeutet nicht, dass das Wertpapier zum für den Trader besten Preis veräußert, sondern zum bestmöglichen Preis ausgeführt wird.
Möchte man nicht mit statischen Stopps arbeiten, besteht die Möglichkeit mit dem Orderzusatz Trailing Stop den Stopp-Kurs nachzuziehen. Hier wird der Stopp-Kurs mitgenommen und hinter dem Kurswert hergezogen, in einem zuvor festgelegten Abstand.
Der Zusatz Take Profit funktioniert ähnlich wie der Stop Loss, steht allerdings am anderen Ende der Skala. Anstatt Verluste einzugrenzen, soll Take Profit einen Mindestgewinn sichern. Wird der vom Trader zuvor definierte Profit erreicht, löst der Zusatz Take Profit einen Verkaufsauftrag aus.
Damit sichert sich der Trader gegen ein späteres Absinken des Kurses ab und nimmt den von ihm kalkulierten Gewinn mit. Es besteht die Möglichkeit, beim Erreichen des Take Profit Wertes auch abzuwarten. Eventuell kann hierfür eine Haltegebühr anfallen. Allerdings sollte man dazu die Erfahrung mitbringen, die weitere Kursentwicklung und die mit dem Warten einhergehenden Risiken abzuschätzen.
Um Orderzusätze erfolgreich anzuwenden, müssen Trader die Märkte beobachten und ihre Kenntnisse im Bereich der Analyse vertiefen.
Letztlich hängt der Erfolg der eigenen Strategie davon ab, wie gut ein Trader in der Lage ist, Entwicklungen der Märkte, sogenannte Trends, vorwegzunehmen und seine Transaktionen zum bestmöglichen Zeitpunkt auszuführen oder sie eben durch Orderzusätze bestmöglich zu automatisieren.
Dabei wird man früher oder später nicht umhin kommen, sich ein wenig in die technische Analyse einzuarbeiten. Unabhängig davon, für welches charttechnische Modell man sich entscheidet, es wird immer davon ausgegangen, dass die Auswertung des Charts es erlaubt, wiederkehrende Ereignisse zu erkennen und deren Wiederholung in der Zukunft annähernd zu prognostizieren, was das Setzen von Stop Loss und Take Profit erleichtert.
Der Chart ist im Grunde nichts anderes als die grafische Visualisierung des historischen Orderbuchs, also das Ergebnis vergangener Kurse.
Dazu sei angemerkt, dass bis heute kein wissenschaftlich fundierter Nachweis besteht, dass mit Hilfe der technischen Analyse tatsächlich Aussagen über den weiteren Kursverlauf eines Wertpapiers gemacht werden können. Klassischen Finanzmarkttheorien wie die EMH stehen im klaren Widerspruch dazu.
Ein Argument für die Einbeziehung der Charttechnik in die Kursanalyse ist, dass aus dem Glauben an eben diese heraus viel Kapital bewegt wird, was zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung führen kann. Faktum ist, dass sie sowohl im institutionellen wie auch im privaten Bereich Anwendung findet.
Wie dem auch sei, es gibt jedenfalls zahlreiche Formationen und Tools, die in der Chartanalyse ihre Anwendung finden:
Der Trendkanal: Dieser verdeutlicht eine Zone, in der sich der Kurs bewegt. Trader versuchen einen Trend so schnell wie möglich zu erkennen, um sich entsprechend positionieren zu können. Dabei spielen Zeiteinheiten eine entscheidende Rolle. Im 5 Minuten Chart kann beispielsweise ein Abwärtstrend vorliegen, im 4 Stundenchart dagegen ein Aufwärtstrend. Welcher Trend maßgeblich ist, hängt wieder von der gewählten Strategie ab, aber allgemein gilt: Die übergeordneten Zeiteinheiten sind höherwertiger.
Widerstände und Unterstützungen: dabei handelt sich um Bereiche, welche der Kurs in der Vergangenheit nicht so einfach durchschritten hat. Ist dieser Bereich oberhalb des aktuell gehandelten Kurses, dann ist es ein Widerstand, ist der Bereich unterhalb des aktuellen Kurses, dann ist es eine Unterstützung.
Man geht davon aus, dass der Kurs seinen aktuellen Trend an diesen Linien nicht so einfach fortführt.
Gleitender Durchschnitt: Dabei handelt es sich um Mittelwerte historischer Kurse. Es wird also ein Durchschnitt aus einer Historie von Kursen gebildet. Dieser Durchschnitt wird als gleitende Linie im Chart dargestellt.
Einer der beliebtesten gleitenden Durchschnitte ist der Exponential Moving Average. Da es sich um einen exponentiell gleitenden Durchschnitt handelt, wird im Gegensatz zum Simple Moving Average eine stärkere Gewichtung der zuletzt gehandelten Kurse vorgenommen. Beim SMA wird jede der Kerzen hingegen gleichgewichtet.
Die größte Beachtung findet sowohl auf institutioneller, als auch auf privater Trader-Ebene, der EMA200.
Bollinger Bänder: dabei handelt es sich um eine Kombination aus Simple Moving Average und Standardabweichung. Bollinger Bänder können helfen, herauszufinden, wie weit eine Bewegung laufen wird. Da sich Assets immer zwischen volatilen und ruhigen, trendigen Phasen abwechseln, werden die Bollinger Bänder in der ruhigen Phase zusammenziehen und in volatilen Phasen stark ausdehnen.
Zur Berechnung wird zunächst ein arithmetischer, gleitender Durchschnitt über n Tage berechnet. Die Idee beruht auf dem statistischen Phänomen der „Häufung in der Mitte“. Dieses besagt, dass in normalverteilten Wertegruppen eine bestimmte Menge an Werten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nur um einen bestimmten Betrag vom Mittelwert abweicht. Dies bedeutet dass unter Vernachlässigung vereinzelter Ausreißer alle Werte in einer vergleichsweise engen Spanne zu finden sind. Man spricht von einer Gaußschen Normalverteilung. Dementsprechend berechnet man nun die Standardabweichung, die quantifiziert, wie stark die Kurse in der Vergangenheit um einen Durchschnitt von n-Tagen geschwankt haben. Davon ausgehend erhält man zwei Kurven. Diese so gewonnenen Kurven werden als Bollinger-Bänder bezeichnet. Aus diesen werden folgende Handelssignale ermittelt:
Sobald sich die Bänder dem zugrunde gelegten Tage-Durchschnitt annähern, steht eine massive Kursbewegung (aufwärts oder abwärts) bevor.
Kurse tendieren dazu, von einem Band zum anderen zu laufen. Notiert ein Kurs in der Nähe des einen Bandes, so ist kurzfristig eine gegensätzliche Tendenz in Richtung auf das andere Band zu erwarten.
Bildet sich innerhalb eines Bollinger Bandes ein Boden oder ein Topp heraus, und wird dieses auch innerhalb des Bandes wiederholt, so ist eine Trendwende zu erwarten.
Bricht ein Kurs aus dem Bollinger-Band aus, so ist eine weitere Bewegung in Ausbruchsrichtung zu erwarten.
Weitere auf die ich jetzt aber aus Zeitgründen nicht weiter eingehen möchte wären u.a.:
Fibonacci Retracements
Candle Sticks
Average Daily Range
Abseits der technischen Analyse können natürlich auch fundamentale bzw. makroökonomische Daten und Ereignisse für eine Ein- und Ausstiegsstrategie genutzt werden, wie beispielsweise die Eigenkapitalkosten oder Risikoprämien.
Beispielsweise gingen mit dem Beginn der COV Pandemie Anfang 2020 und dem folgenden, beispiellosen Einbruch der (weltweiten) Wirtschaftsleistung ein drastischer Anstieg der Eigenkapitalkosten für Unternehmen einher. Die Ausweitung des QE, staatliche Stützungsmaßnahmen und eine stark steigende Sparquote führten zu Beginn des Q2/22 zu einer Umkehrung der Situation.
Die steigende Inflation und spätestens die Zinswende März 22 durch die Fed führten zu einem ähnlichen Anstieg der Eigenkapitalkosten.
Vielen Dank für deine Expertise. Die Stop Loss Strategie bei 8 bis 10 Prozent gefällt mir sehr gut!
Solltest du dich je nach Salzburg verirren, wäre es mir eine Freud', mich mit einem Sahnetörtchen zu bedanken!
LG Jessas