Gründe warum Bisexuelle ihre Neigung verheimlichen?
Im Prinzip fallen mir nur zwei ein, die aber in einander und jeder für sich selbst komplex verschachtelt sind:
1. Die Angst der Fremdwahrnehmung: Es gibt homosexuelle Anteile, aber die gesellschaftlichen Normen und Werte vermitteln, dass diese etwas Schlechtes sind und unmännlich. Das wirkt sich zwar auch auf das Selbstbild aus (wenn Homo- bzw. Bisexuelle ihre Neigung unterdrücken z.B.) aber es wirkt sich mehr auf den Bekanntenkreis aus: Durch die Normen und Werte denken diese Männer, dass sie ebenfalls abgelehnt werden und fürchten den Abstieg zur sozialen Isolation.
2. Die Angst um das eigene Weltbild. Die gesellschaftlichen Normen und Werte diktieren als Familienideal eine traditionelle, konservative, monogame Ehe zwischen Mann und Frau. Auch diktieren sie das Bild eines idealen Mannes als (leistungs)stark, roh, mutig, abenteuerlustig, aggressiv, dominant, usw.
Wenn der Mann allerdings nun bisexuell ist, also homosexuelle Tendenzen hat, dann steht das für viele Männer im Widerspruch zur Männlichkeit, weil „schwul“ ja mit weiblich gleichgesetzt wird. Wie wir wissen, erfährt man einen Großteil der Sexualität auch erst durch ausprobieren. Man weiß zwar, dass man die Neigungen von Geburt an hat, aber man weiß eben noch nicht wo die Grenzen sind. Man will die Grenzen aber auch nicht ausprobieren, aus Angst seine Männlichkeit zu verlieren, denn man könnte ja schwuler sein, als man es sich eingesteht. Das wirkt sich auch wieder auf das Weltbild aus, von dem man dann abweichen könnte.
Bisexualität der Partnerin einzugestehen, werten die meisten als einen direkten Angriff auf das Bild der traditionellen, konservativen und monogamen Ehe, weil eben der Mann quasi von dieser Tradition durch die Bisexualität abweichen möchte. Er fürchtet sich einerseits vor der Ablehnung durch die Frau, je nachdem, wie hoch sie dieses Bild schätzt, denn die meisten Männer denken, dass Frauen die traditionelle Ehe eben sehr hoch / wichtig schätzen. Weiterhin fürchten die Männer die Ablehnung durch die Frau, aufgrund des Verlusts der Männlichkeit, weil homosexuelle Tendenzen eben nicht als männlich angesehen werden. Außerdem fürchten die Männer die Ablehnung der Frau, aufgrund der Verlustangst der Frau – sie wäre dann nicht mehr die einzige, weil sie ihren Mann nicht vollständig befriedigen kann und sie ihren Mann evtl. an einen anderen Mann verlieren kann.
Andererseits, wenn sich das zu einer offenen Partnerschaft entwickeln sollte, dann könnte er auch seine Frau an einen anderen Mann (oder Frau) verlieren. Man kann es also als Verlustangst mit verschiedenen Facetten sehen.
Viele Männer werten die Offenlegung ihrer Neigungen auch als einen Angriff auf die Rollenhierarchie in einer konservativen Partnerschaft. Wenn die Rollenhierarchie im Bett angezweifelt wird, dann fürchten Männer auch um die Anzweiflung im restlichen Familienleben. Was ist, wenn er plötzlich Hausmann werden soll, z.B. Grob zusammengefasst als Angst vor Kontrollverlust und Destabilisierung des Weltbilds.
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Ich kenne deinen Partner nicht und kann dir also nicht genau sagen, welche Ängste er hat.
Wie dem auch sei: Wenn du ihn direkt danach fragst wird er in den meisten Fällen in die Verteidigung gezwungen, weil er es als Angriff sieht. Er wird dann immer Abblocken, bis sein Weltbild destabilisiert ist, aber in dem Moment, wo du es mit Gewalt zerstörst, wird er keine Zukunft in dieser Partnerschaft sehen.
Was du als Partnerin allerdings machen kannst und solltest, ist, dass du ihn unterstützt. Nimm es erst einmal hin, dass er noch nicht mit dir darüber reden will. Was du weiterhin tun kannst, ist, ohne ihn direkt zu fragen und wieder in die Verteidigung zu zwingen, herauszufinden, woran es liegt. Ich meine, wenn du deinen Partner nicht sowieso schon gut genug kennst. Und stückweise die Furcht zu nehmen.
Je nachdem bei welchem Schritt der Selbsterkennung / Wahrnehmung er ist, kannst du diese auch noch subtil unterstützen, aber in welcher Art und Weise, puh, schwer zu sagen ohne euch beide überhaupt zu kennen.