Streit über Schweizer Minarett-Stopp
Türkischer Minister ruft zu Banken-Boykott auf
Die Türkei verschärft ihren Protest gegen das Schweizer Minarett-Bauverbot. Der Europaminister ruft jetzt Muslime in aller Welt auf, ihr Vermögen aus der Alpenrepublik abzuziehen - in seinem Land sei das Geld besser aufgehoben.
Berlin - Nach dem Minarett-Votum in der
Schweiz hat der türkische Europaminister wohlhabende Muslime aufgerufen, ihre Vermögen aus der Alpenrepublik abzuziehen und in der
Türkei anzulegen. Schließlich habe der türkische Bankensektor die jüngste Finanzkrise unbeschadet überstanden, sagte Minister Egemen Bagis nach Presseberichten vom Mittwoch. Zugleich rief Bagis die Schweizer auf, die "fehlerhafte Entscheidung" vom vergangenen Sonntag zu korrigieren.
In islamischen Ländern war die Entrüstung über das Votum besonders stark. Der türkische Ministerpräsident
Recep Tayyip Erdogan wertete es als Zeichen einer wachsenden Islamophobie in Europa. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül bezeichnete die Entscheidung als eine Schande für die Schweiz.Das türkische Außenministerium nannte das Ergebnis "enttäuschend" und forderte eine Korrektur. "Diese Entwicklung ist bedauerlich und verletzt Menschenrechte und grundlegende Freiheiten", erklärte das Ministerium in Ankara. In der Schweiz leben mehr als hunderttausend Türken.
Auch die Opposition in Ankara kritisierte den Ausgang des Referendums. Das Ergebnis zeige, dass westliche Werte lediglich im Rahmen des Christentums verstanden würden, sagte der Chef der nationalistischen Partei MHP, Devlet Bacheli. Der Vorsitzende der linksnationalen CHP, Deniz Baykal, forderte, die Türkei müsse Europa mit Fragen nach dem europäischen Druck auf den Islam konfrontierten.
"Klare Diskriminierung"
Mehr als 57 Prozent der Wahlbeteiligten in der Schweiz
hatten am Sonntag dafür gestimmt, dass der Bau von Minaretten im Land verboten wird. Die Regierung ist zunächst an die Entscheidung gebunden. Das für die meisten politischen Parteien und die Regierung unerwartete Ergebnis erregte international großes Aufsehen: Die Uno-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sieht in dem Ergebnis "klare Diskriminierung".
Der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz zeigte sich dennoch überrascht angesichts der heftigen Reaktionen aus dem Ausland. Es gelte nun, ruhig zu bleiben und die Kommunikationspflicht ernst zu nehmen, sagte Merz am Dienstag. Ob sich die Reaktionen verstärkten oder abklingen würde, werde man dann sehen. "Theoretisch ist beides möglich", sagte Merz. Offenbar sei die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft überschätzt worden.
Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey äußerte am Dienstag abermals ihre Betroffenheit über das Ja zur Minarett-Initiative. Beim OSZE-Außenministerrat in Athen warnte die Ministerin vor der Ausgrenzung anderer Religionen oder Kulturen.
Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass Muslime in der Schweiz integriert seien, der Volksentscheid vom vergangenen Sonntag die Außenpolitik nicht ändere und die Schweiz auch weiterhin enge Beziehungen mit muslimischen Staaten unterhalten werde.
amz/dpa/AFP