Der immer wieder gern zitierte Spruch "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" bezieht sich ausschließlich darauf, dass man sich als Täter nicht darauf berufen kann, das entsprechende Gesetz nicht gekannt zu haben ("Ich wusste nicht, dass Mord verboten ist").
Im Prinzip stammt er (für Österreich) aus dem ABGB, § 2, dort heißt es nämlich dass "sobald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, [...] sich niemand damit entschuldigen [könne], dass ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei." Das gilt im Strafrecht aber schon nicht mehr uneingeschränkt. Zwar stellt der Gesetzgeber hohe Ansprüche an den entschuldbaren Verbotsirrtum: im Normalfall hat die Strafgesetze jedermann zu kennen, und sich gegebenenfalls zu erkundigen. "Zweifel an der Rechtmäßigkeit des eigenen Verhaltens begründen eine Erkundigungspflicht". (OGH 11 Os 42/03)
Dazu kommt noch, dass zumindest der Kernbereich unseres Strafrechts im allgemeinen mit unserem "natürlichen Rechtsempfinden" korreliert: Wir wissen dass Mord, oder Diebstahl strafbar sind, egal in welcher Rechtsordnung, egal wie genau definiert, egal mit welchem Strafausmaß. "Für das Unrechtsbewußtsein genügt das laienhafte, allgemeine Wissen und das rechtliche Verbotensein des vorgeworfenen Verhaltens, während die Kenntnis der Norm in ihren Einzelheiten nicht erforderlich ist." (OGH 11 Os 5/96)
Und dennoch: "Wer das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, handelt nicht schuldhaft, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist." (§ 9 StGB)
Solche Fälle gibt es immer wieder: Wer am Auto eine Nummerntafel verliert und sich aus Karton vorübergehend eine neue "bastelt", begeht streng genommen eine Urkundenfälschung; das ist zB nicht allgemein bekannt. Andere Fälle betreffen Ausländer, die überraschend ins Bundesgebiet gelangen (zB Flugzeug umgeleitet, daher keine Erkundigungspflicht), und gegen eine Norm verstoßen die es im Ausland nicht unbedingt in dieser Form gibt (unser Verbotsgesetz, zB).
Es wird aber, ich wiederhole mich, ein strenger Maßstab angelegt. Ein Deutscher wurde in Österreich wegen "Beihilfe zum Selbstmord" verurteilt, einem Delikt das es in Deutschland nicht gibt.
Das hat nichts damit zu tun, ob nun bei einem bestimmten Vergehen nur der Vorsatz oder auch Fahrlässigkeit strafbar ist - das ergibt sich nur aus dem betroffenen Gesetz selbst.
Das ist natürlich richtig. Im übrigen ging es in diesem Thread, trotz meiner langen Ausführungen zum Verbotsirrtum um den (viel häufigeren) Tatsachenirrtum.
Ich würde den verkürzten Slogan "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" daher gerne etwas umformulieren: "
Unkenntnis des Gesetzes schützt normalerweise nicht vor dessen Folgen". Und damit Schluss