...hier in österreich gibts ebenfalls arme menschen oder menschen die benachteiligt sind.
und wieso soll ich für diese menschen spenden? das sollte der staat machen, anstatt irgendwelche präsidentenfrauen vom flughafen zu einer militärparade mit dem hubschrauber fliegen lassen.
So ähnlich wie du habe ich früher auch mal gedacht. Soll sich doch der Staat kümmern. Nur: wer ist der Staat? Eine gesichtslose, übergeordnete Instanz?
Wir alle leben in einem Staat, und die meisten haben genug zu meckern an dem Staat. Bloß kümmern soll er sich, und das nach Möglichkeit im Sinne desjenigen, der den Staat für zuständig erklärt für alles und jeden. Dafür zahlen wir alle ja Steuern, nicht?
Ob jemand spendet oder nicht und ob er sich kundig macht, ob sein Engagement solche Früchte trägt, wie er es für richtig hält, ist Ausdruck von persönlichen Mitgestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft, in der man leben möchte. Klingt jetzt sehr akademisch, deswegen am konkreten Beispiel: ich weiß nicht, wie viel ihr in Österreich von den hitzigen Heimkinderdebatten mitbekommen habt, die durch sämtliche Medien gegeistert sind. Von skandalösen Mißhandlungen, Zwangsarbeit, sexuellen Gewaltübergriffen war da die Rede, in unglaublich großer Zahl, die Zahl der Geschädigten geht in die hunderttausende. Kinder, die in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen aufgewachsen sind. Kinder, die wenn das Wort Heimaufenthalt im Lebenslauf auftauchte von vornherein verdächtig waren, weil solche ja aus keiner guten Familie stammten und wahrscheinlich sowieso auf die schiefe Bahn geraten.
Man war froh, wenn sich der Staat, die Kirchen oder sonstwer um DIE kümmert, da hatte dann schon alles seine Ordnung. Sich damit beschäftigt, nachgefragt, unter welchen Bedingungen solche Kinder aufwachsen, haben die wenigsten. Und wenn dann solche Kinder aus den Heimen raus waren, oft schwer traumatisiert, mißtrauisch, auch gewalttätig oder kriminell, weil sie ja nie als wahrgenommene Mitglieder der Gesellschaft, in der sie plötzlich verantwortungsbewußte Bürger bestehen sollten, gegolten haben, wenn sie auf die Schnauze geflogen, enttäuscht und straffällig geworden sind, dann waren das eben die da - kamen vermutlich eh schon aus asozialen Verhältnissen, kein Wunder! Also wieder wegsperren, wieder unsichtbar machen.
Da ist in den vergangenen Jahren viel in Bewegung gekommen. Die Leute gucken genauer hin, erfahren, wie unmenschlich mit Kindern in staatlicher/kirchlicher Obhut umgegangen worden ist. Die Medien sorgen für Öffentlichkeit, wenn bekannt wird, daß Kinder mißhandelt werden. Das ist Druck, positiver Druck, der darauf Einfluß nimmt, wie mit einem Teil von Mitgliedern der Gesellschaft, in der wir leben, umgesprungen wird. Dadurch wird auch der träge Staat beeinflußt, neue Gesetze sind in Vorbereitung, die Verjährungsfristen für Mißbrauchsdelikte sollen auf 30 Jahre raufgesetzt werden (ein Beispiel). Das ist gut. Das ist eine Folge davon, daß sich Menschen dafür interessieren, was mit denjenigen passiert, die sonst keine Lobby haben. Es ist aktive Mitgestaltung an der Gesellschaft, in der jeder von uns lebt. Und ich meine schon, daß das jeden etwas angeht, ganz besonders vielleicht diejenigen, die rummaulen: Was gehts mich an, dafür ist doch der Staat zuständig. Weil das meiner Erfahrung nach auch diejenigen sind, die als erste laut aufjaulen, wenn Steuern raufgesetzt werden, Gesetze geändert oder Haftstrafen angeblich zu lasch gehändelt werden.
Hätte ich meine Einstellung: "Soll sich doch der Staat kümmern" beibehalten, dann würde der Verein, in dem ich aufgewachsen bin, bis heute nicht öffentlich bekennen, daß in seinen Einrichtungen Gewalt ausgeübt worden ist. Nur was Kleines. Aber mitgestalten, das kann jeder, wenn er will.