"Die Anderen" "Ihre Angst" "Ihr Hass"
So kannst Du nicht argumentieren........Vieeel zu überheblich.
Naja, überheblich .......... unvernünftig würde es eher treffen.
Wenn "die anderen" Ängste haben, wenn "die anderen" sich benachteiligt fühlen, wenn "die anderen" hassen, das ist immer eine automatische Schuldbefreiung für "die einen".
In Wahrheit gehören wir doch alle zusammen. Und wenn "
die einen VON UNS" Ängste haben, wenn "
die einen VON UNS" sich benachteiligt fühlen, dann sollten eigentlich "
die anderen VON UNS" darüber nachdenken, ob diese Ängste berechtigt sind, ob wirklich keine Gründe vorliegen, sich benachteiligt zu fühlen, ob nicht "
alle VON UNS" gemeinsam einen Teil der Schuld tragen, wenn "
manche VON UNS" meinen, hassen zu müssen.
Man braucht das natürlich nicht zu tun. Und so, wie die Entwicklung läuft, wird man es auch in Zukunft nicht tun. Ich finde das sehr schade.
Ich finde auch das Umgehen mit der Scham über das Vergangene keine wirklich passende Gelegenheit, um schon da wieder quasi zwei Klassen zu erschaffen. Jene, welche sich schämen, und das sind natürlich die Besseren, weil zu denen gehören ja
wir - und jene, welche sich nicht schämen, das sind dann "die anderen". Das finde ich noch mehr schade.
Schon deshalb, weil das Ausmaß, in dem wir unsere Scham öffentlich machen, ja im Grunde genommen überhaupt nix darüber aussagt, in welchem Ausmaß wir die Schrecken der Vergangenheit verarbeitet und daraus Lehren gezogen haben.
Ich habe nicht den Eindruck, dass alle jene, welche sich so gerne und ausführlich in ihrem Schämen sonnen, aus der Vergangenheit wirklich gelernt haben, zumindest lässt sich das aus dem einen oder anderen Verhalten schließen.
Und ich gestehe gerne, dass ich persönlich nicht bereit bin, mich aus Gründen der political correctness zu einem kollektiven Schämen einzufinden. Wenn ich glaube, mich schämen zu müssen, dann tue ich das für mich allein, da brauche ich kein plakatives zur Schau tragen.
Als ich mich mit der Zeit vor 1945 beschäftigt habe, ist schon ein bisserl her, hat das bei mir eigentlich nur zwei Gefühle ausgelöst.
Fassungslosigkeit und Trauer.
Fassungslosigkeit zum einen darüber, mit welch eiskalter Brutalität die damaligen Machthaber zuerst ihre diversen ideologischen und rassistischen "Reinigungen" durchgeführt haben, zum anderen auch darüber, mit welch menschenverachtendem Zynismus sie nach dem Erkennen ihres Scheiterns bereit waren, ein ganzes Volk mit sich in den Untergang zu reißen.
Fassungslosigkeit aber auch darüber, wie im Kampf um das eigene Überleben die Menschen gegenseitig aus Angst, Verzweiflung, Not, aber auch aus Geltungsbedürfnis, Eigennutz, persönlicher Rivalität in blindem Hass aufeinander eingeschlagen haben.
Und Trauer ....... nahezu endlose Trauer darüber, dass zwei Generationen von Menschen von den politischen Kräften, denen sie ihr Vertrauen geschenkt hatten, bitter enttäuscht und im Stich gelassen wurden. Und das gilt jetzt nicht nur für das NS-Regime, das war nur der unrühmliche Höhepunkt einer Entwicklung, welche sich vor und während des Ersten Weltkrieges und in der beginnenden Zwischenkriegszeit ja angebahnt hatte.
Zwei Generationen von Menschen, die sich ihrer unbeschwerten Kindheit, ihrer ausgelassenen Jugend beraubt sahen, denen man weder Arbeit noch Brot dauerhaft in ausreichendem Ausmaß verschaffen konnte, denen man nicht Vorbild war im Miteinander, sondern die man im Gegenteil noch gegeneinander aufgehetzt hat.
Scham?
Eher Wut über die Drahtzieher dieser teuflichen Pläne.
Mitleid mit jenen, welche zu Opfern geworden waren.
Erbarmen für jene, welche blind und gläubig der Herde gefolgt sind, und von Opfern zu Tätern geworden sind.
Dankbarkeit für jene, welche sich der Tyrannei widersetzt haben.
Verachtung für jene, welche aus persönlicher Habgier oder wirtschaftlichem Interesse die Augen verschlossen haben vor dem Leid der Opfer.
Scham .......... nein.
Die Öffentlichkeit hat seit Endes des Krieges nichts unversucht lassen, Täter auszuforschen und der Gerichtsbarkeit zuzuführen. Man hat dies mit großem, begrüßenswertem Eifer getan (wenn auch manchmal eher zu wenig als zu viel), und wer immer aufgegriffen wurde und seiner Schuld überführt, der ist auch verurteilt worden.
Viele wird man nicht gefunden haben, weil sie entweder den Freitod gewählt haben, oder natürlich auch, weil sie sich (ihrer Schuld bewusst) vor der irdischen Gerechtigkeit verborgen haben. Auch sie werden ihren Richter finden.
Bleiben jene unzähligen Menschen, welche sich - Manny hat es gesagt - durch Wegschauen schuldig gemacht haben. Über deren persönliche Schuld zu entscheiden, maße ich mir aber nicht an. Und zwar deshalb, weil mir die Selbstgefälligkeit fehlt, von der warmen Ofenbank der Gegenwart aus ein persönliches Verhalten in der eiskalten Vergangenheit zu beurteilen. Ich weiß für mich nur eines: so wenig es kollektive Unschuld geben kann, so wenig darf es kollektive Schuld geben.
Wenn wir schon von uns behaupten, aus der Vergangenheit gelernt zu haben, dann werden wir auch im Umgang mit dieser Zeit unseren obersten Rechtsgrundsatz befolgen müssen: die Schuld ist zu beweisen, nicht die Unschuld. Gerade im Umgang mit dieser Zeit, in welcher aus ideologischen Gründen vorbestimmte Urteile bestenfalls zu Schauprozessen geführt haben.
Wenn wir das Bedürfnis haben, uns für die Taten anderer zu schämen, sollten wir das nicht nur für die Vergangenheit tun, wo wir ohnehin nichts mehr ändern oder rückgängig machen können.
Eine gute Gelegenheit für Scham, welche noch dazu durchaus etwas verändern oder bewirken könnte, erleben wir derzeit gerade am Tod eines Politikers, und wie viele Menschen damit umgehen.
Da melden sich leider nur sehr wenige zu Wort.
Wir haben nichts gelernt