Yet another 2 cents worth
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Sehr interessante Sichtweisen. Die Argumentationen zeigen, wie ungemein sensibel, persönlich und individuell das Thema ist und wie Verletzt und oder Verletzbar man dabei eigentlich ist. Ungut für die Diskussion ist die Nennung von Begriffen, unter denen ja jeder im Detail etwas anderes verstehen mag, ohne nähere Erläuterung,.
Wie gesagt halte ich ja den Begriff der offenen Beziehung an sich, gelinde gesagt, für etwas Verunglückt.
Auch das mit der angesprochenen Freiheit ist so eine Sache. Wirklich frei bist Du eigentlich nur dann, wenn Du gänzlich ohne Beziehung dastehst - du kannst halt nicht ins Wasser hupfen, ohne Nass zu werden.
Sobald du einvernehmlich eine Beziehung eingehst, entwickelt und vertieft sich in der Regel ein Beziehungsgeflecht auf mehreren unterschiedlichen Ebenen. Die Partner stehen sich wechselseitig allerdings durchwegs in Pflicht und Verantwortung hinsichtlich eines Agierens im Sinne der Gemeinsamkeit.
Unter Beziehungen verstehe ich Partnerschaften, die auf Langfristigkeit ausgelegt sind, auf eine enge Verknüpfung in Richtung eines gemeinsamen Lebensweges abzielen und sich über eine gemeinsame Zukunft definieren d.h. eher fixe und ja, doch eher eheähnliche Formen.
Eine Beziehung soll die Bedürfnisse beider Partner befriedigen das Bedürfnis nach Gesellschaft, intellektuellem Austausch, nach emotionaler Wärme, nach Fürsorge, nach Halt, Geborgenheit, Beständigkeit, Vertrauen, Sicherheit, Erfüllender Sexualität etc...
In gewisser Weise soll es vielleicht auch eine Vielen innewohnende Sehnsucht stillen, etwas zu Gründen, Schaffen, Aufzubauen, das in einer Weise größer ist, als man selbst allein.
All diese Aspekte finden sich, so oder so gewichtet, in einer Beziehung. Insofern jetzt ein Aspekt fast ausschließlich dominiert wird diese dann Beispielsweise zu einer Sex-Beziehung in sich, ein doch eher untergeordneter Teilaspekt.
Bekanntschaften, wo zwei separate Lebensführungen vorherrschen, mit Berührungspunkten in Form von gemeinsamen Unternehmungen, geteilten Interessen, Neigungen und geteilter Sexualität rangieren für mich nicht auf diesem Level werden aber anscheinend heute von Vielen trotz einer innewohnenden noch bestehenden Distanz und relativ geringer Verknüpfung der Partner doch auch bereits als Beziehung tituliert.
Vielleicht ist es ein Defizit in der Wahrnehmung woher soll man es auch wissen, wenn man es nicht vorgelebt bekommt oder bekommen hat. Dementsprechend denke ich, sehr Viele verwenden den Begriff der Beziehung tatsächlich zu leichtfertig genauso wie den der Freundschaft. Ist es die mangelnde Differenzierungsfähigkeit - oder ist der Wunsch nach Verbindlichkeit und Sicherheit dabei aber auch Vater des Gedankens who knows. Gleiches gilt für Liebe im Unterschied zu Verliebtheit
. Ich sehe da auch generell die inflationäre Verwendung von Begrifflichkeiten und deren dann doch sehr individuelle Definition als ein Problem.
Gut, also offene Beziehung diese Begrifflichkeit ist ja für sich schon wieder ein Oberbegriff und summiert diverse untergeordnete Formen von gelegentlichen rein körperlich-sexuellen Exkursen bis hin zu parallelen Partnerschaften.
Wennst Du diese dann intensiver und eher im Detail betrachtest, dann ergeben sich allerdings wiederum unzählige individuelle Ausprägungen. Nichts davon ist wirklich neu das alles hat es im Grunde schon Gegeben
. Die Namen sind halt vielleicht neu, das Image ist Aufgebügelt, einige Sachen sind in einem bestimmten Jahr oder Jahrzehnt vielleicht einmal gerade trendy und shiny und werden genutzt um Business zu machen - aber Neu das wäre eine Illusion.
Funktionieren kann Alles, es müssen sich halt die passenden Leute mit den passenden Bedürfnissen dafür finden. Gemeinsam haben Sie Eines wenn es funktionieren soll gibt es Regeln und mit den Regeln, da endet auch die Illusion der Großen Freiheit.
Eine Beziehungsform funktioniert, oder funktioniert nicht für bestimmte Individuen auf der Basis eines informal vereinbarten oder festgeschriebenen Regelwerks. Grundsätzlich kannst dabei als Rule of Thumb davon ausgehen, dass mit der Anzahl der involvierten Partner und der Anzahl der betroffenen Beziehungsebenen die Komplexität steigt und die Stabilität so einer Konstellation über Zeit tendenziell sinkt.
Parallel dazu entwickeln oder Ändern sich ja auch die Bedürfnisse im Laufe eines Lebens es kann Dir Gestern noch genug gewesen sein eine auf Sex basierte Beziehung zu haben aber für deine Zukunft willst Du Mehr. Nur um zu erkennen was Du willst, musst Du deine Bedürfnisse ausloten kein Erkennen ohne Erkenntnis- und das braucht halt seine Zeit für Jeden unterschiedlich lang.
Somit ergibt sich ganz klar, Bedürfnisse können sich auch im Laufe einer Beziehung ändern wir kommen ja nicht Fertig auf die Welt, sondern entwickeln uns ja (hoffentlich)auch über unsere gesamte Lebensspanne weiter, lernen dazu, ändern Ansichten und Meinungen entwickeln neue Interessen, Neigungen nehmen neue berufliche Herausforderungen an etc.
Die Frage ist dann halt, wie tragfähig und flexibel das aktuell gelebte Beziehungskonstrukt ist. Das ergibt sich für mich über die Abdeckung der aktuellen Bedürfnisse der Partner darin, und dem Grad an Gemeinsamen gegenüber Trennendem. Das kannst allerdings erst dann feststellen, wenn du darüber offen und ehrlich kommunizierst und auch Unklarheiten in der Sichtweise beseitigst. Du kannst dabei allerdings weder voraussetzen noch erwarten, dass ein involvierter Partner (d)eine zwischenzeitlich (geänderte) Sichtweise 100%-ig teilt, ohne weiteres akzeptiert, oder sie mit seinem Wertesystem aktuell irgendwie vereinbar ist.
Wenn die Grundvoraussetzungen passen, d.h. wenn die einzelnen Beziehungsebenen funktionieren und intakt sind das Gemeinsame somit das Trennende übersteigt - denke ich nicht, dass es in welcher konkreten Beziehungsform auch immer, eine Unvereinbarkeit geben muss. Das wie auch immer titulierte Geflecht zwischen den Partnern wird tragfähig genug sein, um Änderungen zu verkraften und sich anzupassen.
Auch Nicht Exklusive Sexualität funktioniert und solche kann auch über Jahrzehnte hinweg Stabil und auch parallel zu Ehen praktiziert werden (ja Steirerbua auch über 25 Jahre ;-)) aber auch hier sind die Spielarten Legion. Die Partner kommen beispielsweise darüber überein, dass Sex (und nur Sex) mit anderen Personen möglich ist, schaffen aber parallel gleichzeitig ein absicherndes Regelwerk um die eigene Beziehung zu schützen und deren Exklusivität dennoch zu gewährleisten dieses regelt beispielsweise dann auch Wann, Wo, Wie diese Sexualität mit Anderen praktiziert wird und wie der Partner informiert/eingebunden wird.
Eine Regelung unter größtmöglichen Freiheitsgedanken, die sich darauf beschränkt zu sagen Jeder darf (ab jetzt) mit Jedem (poppen) - rangiert für mich dann allerdings eher schon in der Kategorie sexueller Verwahrlosung.
Du siehst also Joy-Divison neue Spielarten aber auch neue Spielregeln und auch zusätzliches Risiko, dass die Sache nicht so klappt, wie man sich das vorstellt. Die Themen Betrug und Fremdgehen sind damit aber nicht vom Tisch
. die können sich dann auch aus diesen neuen Möglichkeiten heraus ergeben, weil Gelegenheit macht Diebe.
Für mich ist es halt grundsätzlich Fraglich, ob es möglich ist, einen integrativen Bestandteil der Lebensführung, hier BDSM, auf Dauer aus einer Beziehung herauszunehmen und damit erfolgreich zu sein. Denn hier ist es ja etwas was Du dann nicht teilst
.du delegierst den Bereich an Jemand Anderen und schaffst damit eigentlich doch eher etwas Trennendes, denn was Gemeinsames es wird ja auch so wie ich das verstanden habe nicht Gemeinsam erlebt.
So wie alle anderen Themen kann auch jenes Probleme verursachen auch kann es, wenn ich Sex mit jemanden Anderen haben will, sehr wohl darauf hindeuten, dass in einer bestehenden Beziehung ein Manko da ist und Bedürfnisse nicht (mehr) befriedigt werden. Ein Korrekturversuch durch Erweiterung mit anderen Partnern wird in der Regel dann ein Fehlschlag sein, wenn die sexuelle Beziehungsebene zwischen den Partnern grundsätzlich nicht mehr in Harmonie ist üblicherweise sind dann aber auch parallel die emotionale Ebene schon geschädigt. Du Erweiterst dann die Sexualität auch nicht mehr um neue Spielarten, Du versuchst schlicht und ergreifend Mängel zu beseitigen und Bedürfnisse extern zu Befriedigen das ist ein wesentlicher Unterschied.
Grundsätzlich gilt: Die Einführung solcher Spielarten in eine Beziehung machen diese in einer Weise komplizierter und können (zusätzliche) Probleme schaffen es verlangt von beiden Partnern vermehrt Offenheit, Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen, Einfühlungsvermögen und Aufmerksamkeit - es kann einen auch selbst an Grenzen führen, die man in sich selbst nicht vermutet hätte genauso wie den Partner.
Wie aus jeder gemeinsamen Herausforderung, kann man als allerdings auch gestärkt aus solchen Erfahrungen heraustreten und wieder etwas zusätzlich Gemeinsames, etwas Verbindendes haben.
Vom Hintergrund her
nach über 10 jähriger auch sexuell exklusiver Beziehung (beiderseits ohne jegliche Seitenhupfer, Affären, Puffbesuche etc.) haben wir "sexperimentelle" Ausflüge in die Welt von Swingen, PT etc. hinter uns. Die Vorarbeiten und Gespräche darüber hatten sich über Monate hinweg erstreckt und Grenzen wurden zunächst eng gezogen und im weiteren Verlauf sukzessive ausgeweitet. Die gemachten Erfahrungen rangieren jenseits von irgendwelchen überzogenen Reportagen und zeigen sich in gelebter Realität durchwegs durchwachsen. Von sehr lustvollen gemeinsamen Erlebnissen mit Anderen bis hin zu Zonk- Abenden war da schon so alles dabei. Gespräche und Erlebnisse mit anderen Paaren haben dabei auch sehr interessante Hinter- wenn nicht sogar Abgründe aufgetan. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden
Insgesamt empfinden wir es so, dass uns diese Erfahrungen sogar noch näher zusammen gebracht haben
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LG Bär