Das ist ja nur meine Einschätzung, wobei ich mir bei der Sozialphobie sicher bin. Die hat sich halt mit dem Alter abgeschwächt. Früher stellte es sogar ein Problem dar, in der U-Bahn jemandem gegenüber zu sitzen oder den Zebrastreifen zu überqueren, da ich mich da von den Menschen negativ beurteilt fühlte, weil ich mich eben so verhielt. Ein Teufelskreis.
Therapie wäre sinnlos, da ich es als Armutszeugnis betrachte, das eigene Leben nicht im Griff zu haben. Deswegen scheidet eine Therapeutin aus. Außerdem wäre es mir ein Gräuel, für eine "Freundschaft" Geld hinzulegen. Denn nur bei privater Freundschaft und "wenn mich wer nimmt, wie ich bin", könnte ich das nötige Vertrauen in eine Therapeutin fassen.
So ist derzeit die Lage.
Aber im Großen und Ganzen konnte ich mich damit arrangieren, sonst würde ich vor lauter Lebensfreude wie früher beinahe ständig in die Luft springen.
Sozialphobie halte ich für einer der vielen Erfindungen der Psychoindustrie. Die hat man erst, wenn man irgendwo auf einem der vielen Psychoportale davon liest (da ist ja auch für jeden etwas dabei) oder wenn ein Psychotherapeut meint, daß es so ist. Dabei ist es absolut unobjektivierbar.
Nicht falsch verstehen: Ich unterstelle niemand, daß er bestimmte Symptome nicht empfindet - nur werden halt auch die schönsten Dinge reininterpretiert. Viele Leute haben einfach nur Streß, der sich in verschiedensten Ausformungen präsentieren kann und interpretieren in diesen die tollsten Sachen rein. Oder eine körperliche Erkrankung, die nie diagnostiziert wurde, weil sie nie untersucht wurde oder der Arzt keine Ahnung oder keine Zeit hatte. Einmal auf der Psychoschiene gelandet, hinterfragt das genau niemand mehr.
Zudem könnte man auch hinterfragen, ob die Leute, denen eine Sozialphobie nachgesagt wird, nicht einfach nur eine sensiblere Wahrnehmung haben oder anders gesagt, Dinge wahrnehmen, die andere eben nicht (mehr) wahrnehmen. Ob das grundsätzlich eine "schlechte" Eigenschaft ist - also ich weiß nicht.
Beim Thema Burn-Out ist das genau dasselbe. Die Diagnose gibt es im Grunde genommen gar nicht, aber es wimmelt nur so von "Experten", die alle darüber bescheid wissen. Und die Therapie besteht meist darin, Einzelne (nämlich die Betroffenen) bzw. ihr Verhalten zu hinterfragen und nicht etwa gesellschaftliche Entwicklungen. Ist ja auch viel bequemer, aber in meinen Augen grundfalsch, weil eben klar ist, daß auch der Parkplatz der SCS nur begrenzt belastbar ist.
Das schöne an der Psychoindustrie ist ja, daß sich in der reichhaltigen Diagnoseliste für jeden etwas findet und das man auch jeden problemlos davon überzeugen kann, daß er dieses und jenes hat. Entscheidend ist ja nicht, ob es wirklich und objektiv so ist, sondern, daß jemand glaubt, daß es so ist.
Wenn es darum geht, diese ganzen Diagnosen zu therapieren, stehen die guten Therapeuten dann den "Krankheitsbildern" mit einer beispiellosen Hilflosigkeit gegenüber. Aber es geht ja auch primär darum, mit Leuten Geld zu verdienen, wie Du richtig erkannt hast. Es ist nämlich tatsächlich eine bezahlte Freundschaft. Ich habe eine Bekannte, die damit erst so richtig in den Psychoirrsinn gekippt ist - nach dem Motto: So richtig krank macht sie erst ihr Therapeut.
Es ist ja auch absoluter Unsinn, jemand, der sich schon freiwillig ununterbrochen mit sich selbst beschäftigt, damit zu therapieren, indem man in dazu anleitet, mit sich selbst zu beschäftigen.
Ich empfehle dazu die Einstiegsliteratur "Lexikon der Psychoirrtümer", das sollte der erste Schritt zur "Heilung" sein.
Man sollte manchmal die Dinge nicht komplizierter sehen als sie sind.
Und um zum Thema zurückzukommen: Ich glaube weder, daß ein Mensch, dem Sozialphobie nachgesagt wird, keine sozialen Fertigkeiten hat, noch, daß er keine Partnerschaft finden kann. Eigentlich ganz im Gegenteil: Ich glaube eher, daß da draußen ganz viele Leute ohne soziale Fertigkeiten sind, die noch nie etwas von dem Begriff Sozialphobie gehört haben. Und die haben auch Partnerschaften oder sitzen vielleicht sogar in irgendwelchen höheren Positionen. Und der einzige Unterschied besteht darin, daß sich diese Leute noch keine Sekunde selbst hinterfragt haben.