Wir lieben niemanden

Die Liebe ist ein Omnibus,
auf den man lange warten muss.
Und kommt er endlich angewetzt,
dann ruft der Schaffner, schon besetzt! Darum hüte sich wer Lieben will.
 
Ich muss nicht einer Phil. Schule anhängen, um so simple Erkenntnisse wie sie in der TE beschrieben sind zu begreifen.

Das steht eigentlich nichts anderes, als dass Sex eine von Liebe unabhängige und höchspersönliche ( im wahrsten Sinne des Wortes) Angelegenheit ist. Entgegen aller verbreiteten Moral, an der sich die Apostel so gerne ergötzen.
So liest jede/r etwas Anderes. Fürwahr ein großer Text. Ich schätze Pessoa seit vielen Jahren sehr...
 
Ich schon. Mehrere... Es ist Ihnen nur oft genug nicht bewusst. War es mir auch nicht...
 
Niemals lieben wir jemanden. Wir lieben nur die Vorstellung, die wir uns von jemandem machen. Also lieben wir nur unsere eigene Idee, letztendlich nur uns selbst. Und wie wir in der Liebe nur unser eigenes Vergnügen mittels unserer Vorstellung suchen, so suchen wir in der Sexualität nur unser Vergnügen mittels eines anderen Körpers. Zwei Menschen sagen einander "Ich liebe dich", denken und fühlen es zur selben Zeit, aber jeder verbindet damit eine andere Vorstellung, einen anderen Duft, eine andere Wärme oder Farbe.
Jo eh. So ist es, so wars immer und so wirds immer sein. Warum? Weil jeder von uns seine eigene Wahrnehmung hat, jeder seine eigene Geschichte, sein eigenes Leben, seine eigenen Ideen, Vorstellungen, Wünsche, Sehnsüchte, Fantasien etc... und weil wir wir niemals nicht in irgendeinen anderen Menschen reinschauen, reinfühlen können, und niemals wissen, wie er die Welt wahrnimmt. Ganz bestimmt aber anders wir wir sie wahrnehmen. Es ist ein bisschen blumig ausgedrückt, und der Sprung von der eigenen Idee zum eigenen Selbst wirkt auf mich ein bissl gewagt (abgesehen davon: wer bin ich eigentlich?). Ich seh mich als mehr als nur meine eigenen Ideen, aber meinetwegen, soll sein. Kann man so oder so interpretieren, je nachdem, was ich als "Idee" bezeichne. Und es ist nicht auf die Liebe begrenzt, sondern auf alles, auf unsere gesamte Wahrnehmung...
 
das sind ja völlig unterschiedliche Dinge, von denen in diesem zitat die rede ist, zum einen wird behauptet, dass wir niemanden lieben, weil wir immer nur unsere eigenen Bedürfnisse nach liebe oder körperlicher Befriedigung durch den anderen erfüllen,
zum anderen wird festgestellt, dass jeder eine andere Wahrnehmung, andere Vorstellungen und Ideen hat.

dem letzteren stimme ich uneingeschränkt zu, und natürlich dauert es eine zeit, bis man einen menschen gut genug kennt, um zu erkennen, dass er von dieser Idee abweicht. doch wenn man realistisch genug ist, ihn trotz seiner fehler und nicht-Entsprechung zu der Idee zu akzeptieren, dann können wir sehr wohl den menschen an sich lieben
 
das sind ja völlig unterschiedliche Dinge, von denen in diesem zitat die rede ist, zum einen wird behauptet, dass wir niemanden lieben, weil wir immer nur unsere eigenen Bedürfnisse nach liebe oder körperlicher Befriedigung durch den anderen erfüllen,
zum anderen wird festgestellt, dass jeder eine andere Wahrnehmung, andere Vorstellungen und Ideen hat.

dem letzteren stimme ich uneingeschränkt zu, und natürlich dauert es eine zeit, bis man einen menschen gut genug kennt, um zu erkennen, dass er von dieser Idee abweicht. doch wenn man realistisch genug ist, ihn trotz seiner fehler und nicht-Entsprechung zu der Idee zu akzeptieren, dann können wir sehr wohl den menschen an sich lieben

Trotzdem ist Liebe immer "nur" die Befriedigung eines eigenen Bedürfnisses, wie z.B. Durst auch. Und der Geliebte das Wasser.
Das ist die Kernaussage der TE.

Ihn gut zu kennen oder/ und seine Fehler zu akzeptieren spielt dabei, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Liebe entsteht in jemandem auf Grund der in ihm manisfsten Idee von einerm Partner. Das kann völlig einseitig und ohne jede Erwiderung sein.

Das ist ja auch gar nichts Böses, sondern einfach nur eine Erkenntnis, wie wir wirklich sind. Und die ist dem Autor Fernando Pessoa hoch anzurechenen. Sie eröffnet eine freiere Sichtweise auf das was man "Liebe" nennt.
 
Niemals lieben wir jemanden.... Wir lieben nur die Vorstellung... Zwei Menschen sagen einander "Ich liebe dich", aber jeder verbindet damit eine andere Vorstellung...

Das kann mangels objektiver Realität auch gar nicht anders sein.
"Realität" ist schließlich bloß die Summe der individuellen Interpretation von Sinneswahrnehmungen.

Aber zumindest temporäre Synergien sind nicht ausgeschlossen.
Und nachdem das Leben an sich ein temporärer Zustand ist besteht diesbezüglich kein Grund zur Aufregung ;)
 
Und doch gibt es immer wieder Behauptungen über Seelenverwandtschaft.
Ja, das sind subjektive Momentaufnahmen und nein, ich habe keine Beweise.
Aber nur, weil ich es nicht verstehe, ist es dennoch möglich.
 
Und doch gibt es immer wieder Behauptungen über Seelenverwandtschaft.
Ja, das sind subjektive Momentaufnahmen und nein, ich habe keine Beweise.
Aber nur, weil ich es nicht verstehe, ist es dennoch möglich.

Hat aber wiederum nicht zwingend mit Liebe auf der Beziehungsebene zu tun, sondern kann man genauso im freundschaftlichen Kontext erleben, innerhalb der Familie/Verwandtschaft oder z.B. zu einem künstlerischen Mentor.
 
Übrigens auch von Pessoa (aus der "Hüter der Herden"):


Mein Blick ist offen wie eine Sonnenblume ...
Ich habe die Gewohnheit, die Straßen entlang zu wandern
Nach rechts und nach links zu schauen
Und manchmal auch zurück ...
Und was ich mit jedem Augenblick sehe,
Habe ich zuvor nie gesehen
Und weiß dies sehr wohl wahrzunehmen ...
Ich kenne den Wesensschauder
Eines Kindes, merkte es bei seiner Geburt,
Daß es wirklich das Licht der Welt erblickt ...
Ich fühle mich mit jedem Augenblick
Für die ewige Neuheit der Welt geboren ...

Ich glaube an die Welt wie an ein Tausendschönchen,
Weil ich sie sehe. Aber ich denke nicht nach über sie,
Denn denken heißt nicht-verstehen ...
Die Welt wurde nicht geschaffen, damit wir über sie nachdenken
(Denken heißt augenkrank sein),
Sondern damit wir sie ansehen und im Einklang sind mit ihr.

Ich habe keine Philosophie, ich habe Sinne ...
Rede ich von der Natur, so nicht, weil ich weiß, was sie ist,
Sondern weil ich sie liebe, und darum liebe ich sie;
Denn wer liebt, weiß niemals, was er liebt,
Noch warum er liebt oder was lieben ist ...

Lieben ist ewige Unschuld
Und die einzige Unschuld besteht im Nicht-denken ...

:liebe:
 
Schon klar, @Mitglied #448038 , Liebe muss ebenso nicht in der klassischen Beziehung stattfinden, Sex sowieso nicht.

Die Quintessenz des Themas kann man ja auf alle möglichen Gefühle umwälzen.

denken und fühlen es zur selben Zeit, aber jeder verbindet damit eine andere Vorstellung, einen anderen Duft, eine andere Wärme oder Farbe.
Könnte sein, dass ein Teil von Seelenverwandtschaft ist, dass abstrakte Begriffe eben mit den gleichen Mustern und Sinneseindrücken assoziert werden?!
 
...aber wenn ich Sophie liebe - wie kann ich dann niemanden lieben??? :hmm::hmm::hmm:
Einsam zweisam?
Bin ich dann auf mich selbst zurückgeworfen und versuche zweifelnd ringend, Freiheit zu erlangen? Die Befreiung von dieser Liebe, die auf ihre eigenen Ursprünge zirkelig rückbezieht?:hmm:
:hurra:

Die Sophie ist eine Grenz-amazon-e
Die gibt Empfehlungen, die einem ähnlich sind:lol:
 
Weil ich niemals Dich anhielt, halt ich Dich fest
Rilke
Zeilen aus den zwei Liedern op. 8 von Webern, entstanden 1911/12
 
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