Abgesehen davon, dass das für mich persönlich nichts wäre, sprechen auch eine Reihe handfesterer Gründe dagegen. Was nicht heißen soll, dass es nicht Menschen gibt, die in derartigen Beziehungen leben, aber Menschen tun sich selbst eine ganze Menge verrückter Dinge an und die Kraft der Autosuggestion (ich bin doch eh glücklich!) ist unbeschreibbar hoch, wie jeder Psychotherapeut bestätigen kann.
Zum einen ist eine Liebesbeziehung nicht einfach Freundschaft plus Sex, sondern mehr. Man kann zwar durchaus mehrere Freundschaften pflegen; je nach Veranlagung und Vertrauen sogar sexuell nicht monogam sein, ohne eine Beziehung gleich aufs Spiel zu setzen, man wird sich aber schwer tun, mehrere gleichzeitige intensive Liebes-Beziehungen zu führen.
Warum? In jeder Gruppe von Menschen tun sich Hierachien auf; je nach Persönlichkeitsstruktur kommt es zu gewissen Rollenverteilungen, die wiederum mit Erwartungshaltungen verbunden sind. Das ist auch bei zwei Menschen schon so -- und wie wir alle wissen, gibt's bereits da genug Schwierigkeiten. Von einem Partner erwartet man sich aber i.d.R. ein Ausmaß an Aufmerksamkeit und Vertrauen, das das regulärer Freundschaften übersteigt; daher müss(t)en in einer echten polyamerösen Konstellation wirklich alle alle lieben. Sonst wird's unweigerlich zumindest mittelfristig schiefgehen, weil irgendjemand zwangsweise ein Naheverhältnis zu einer anderen Person haben muss, die einem vielleicht nicht so liegt.
Wenn's schon schwer genug ist, *einen* Partner zu finden, wie schwer ist es dann mit dreien oder vier, wenn jeder einzelne eine Liebesbeziehung zu jedem anderen aufbauen muss (auch wenn sie zB das gleiche Geschlecht haben)?
Jetzt mag man entgegnen, das sei gar nicht notwendig, es reicht, wenn sich in einer Konstellation A,B,C beispielsweise A und B lieben und C und B. A und C müssen ja nur irgendwie miteinander auskommen. Der Konflikt und die Eifersucht sind da aber bereits vorprogrammiert. Sowohl A und B müssen sich C "teilen", also gegenüber C zurückstecken. Klar, für C ist's super, aber spätestens, wenn die Zeiten etwas schwieriger werden, wird sich das ändern. Das wird nur verkompliziert, wenn sich zB A "als Ausgleich" D ins Boot holt...
Nicht einmal Eltern lieben alle ihre Kinder gleichermaßen, und u.a. deshalb sind Familien auch nicht unbedingt als konfliktfrei bekannt. Man addiere die sexuelle und romantische Komponente hinzu und kann sich denken, wo die meisten polyamorösen Konstellationen enden.
"Ich habe ein starkes Selbstbewußtsein und lasse meinem Partner seine Freiheiten, zu lieben, wen er will" ist in der Mehrzahl der Fälle nichts anderes als "Mein Selbstbewußtsein ist so schwach, dass ich lieber zurückstecke und meinen Partner und mein Vertrauen teile und jemand Fremden, den ich nicht ausgesucht habe, in unseren Bereich lasse, damit mein Partner mich nicht verläßt". Bonuspunkte für Selbsttäuschung, wenn man dem Dritten dann auch noch brav zustimmt und "ja, der/die ist eh super" sagt.
Langer Rede kurzer Sinn: klar werden sich schon mal drei oder vier gefunden haben, die sich einige Zeit lang tatsächlich alle geliebt haben. Ist aber um Potenzen unwahrscheinlicher als eine glückliche Paarbeziehung und daher wird die Annahme, dass Verlustängste hier etwas zusammenhalten, was sonst längst beendet hätte werden müssen, in 98% der Fälle die zutreffendere sein.