Ich habe keinen Grund zu lügen. Die Entscheidung über Gesundheitsfragen liegt beim Vormund, nicht beim Staat. Du kannst sicher sein: durch meine eigene Vorgeschichte habe ich mich sehr oft und intensiv mit solchen Geschichten beschäftigt, weniger von der rechtlichen Seite (ich bin kein Jurist) als von der moralischen.
Erstens: als Jugendliche war ich Zögling in einem Heim für "gefallene Mädchen", dem auch zwei Gruppen mit minderjährigen Müttern angeschlossen waren (die jüngste mir bekannte Mutter war gerade mal 11, ihre Tochter war vom eigenen Vater gezeugt worden). Die Entscheidung, ob solche Schwangerschaften abgetrieben werden sollten, wurde durch die katholischen Ordensfrauen, die dieses Heim leiteten, grundsätzlich abgelehnt, es wurde aber Druck auf die Mütter ausgeübt (kein Zwang, aber Druck), ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Eine dieser jungen Mütter, die einer Adoption zugestimmt hatte, kam später zu uns in eine Nicht-Mutter-Kind-Gruppe, sie hatte massive Depressionen, weil sie nicht damit fertig wurde, ihr Kind weggegeben zu haben.
Die oben erwähnte Frau, die ihre Tochter hatte sterilisieren lassen, war eine unserer Mitarbeiterinnen. Ich habe mir ihre Geschichte angehört, war schockiert, stellte mir aber auch die Frage, bei wem die Verantwortung für die ansonsten zu erwartenden Enkel gelegen hätte?
Wer übernimmt Verantwortung, wenn z.B. eine Frau eine schwere postnatale Depression erleidet (mir persönlich bekannter Fall in der damaligen Nachbarschaft, die Kindsmutter hatte damit auch psychotische Schübe, die sich über 3 oder 4 Jahre hinzogen. Ihr Kind war in der Zwischenzeit zu Pflegeeltern gegeben worden. Als die Mutter so weit genesen war, daß sie die Sorge für ihr Kind hätte übernehmen können, wurde dies per Gerichtsbescheid abgewiesen - zum Wohl des Kindes. Die Mutter ist mit dieser Entscheidung nie fertig geworden).
Das ist das Dramatische bei solchen Diskussionen generell (und deshalb fühle ich mich damit selten wohl) - die wenigsten können abschätzen oder auch nur wissen, was alles in Folge an Problemen auftauchen und zu bedenken ist. So auch bei dieser Inzest-Debatte. Die Frage: "Soll das legalisiert werden" zieht einen solchen Rattenschwanz an möglichen Aspekten nach sich, der unmöglich von den meisten Abstimmenden überhaupt bedacht werden kann, weil die Lebenserfahrung, die Einzelgeschichten damit überhaupt nicht bedacht werden können, wenn man nicht selbst "nah dran" war oder ist.