Der Gebrauch von Worten wie „körpernahe Dienstleistung“ verschleiert, wie intim Sexarbeit tatsächlich ist.
Warum sollte dieser Ausdruck etwas verschleiern?
Dass wir keine Friseurinnen oder Fusspflegerinnen sind, wissen wir ja alle.
Es ist eine körpernahe Dienstleistung oder eine Dienstleistung unter Körpereinsatz, in der sich beide Seiten so nahe kommen, wie es vorher vereinbart wurde. So gut wie jede SW hat Tabus, die von den Kunden auch respektiert werden.
Nur weil etwas grundsätzlich im Konsens geschieht, heißt das nicht, dass kein Druck oder Ungleichheit vorhanden ist.
So wie in so vielen anderen Berufen auch. Ich zumindest habe unter diversen "Chefs" im Büro und im Verkauf weitaus mehr gelitten als als selbständige SW. Ich habe eine Bekannte aus Polen, die wochentags um halb 5 Uhr aufsteht, um an einer Universität zu putzen für einen Lohn, für den die meisten ÖsterreicherInnen wahrscheinlich weiterschlafen würden. Interessiert sich irgendjemand dafür, ob sie das gerne und freiwillig macht?
Das sind alles sehr komplexe Themen, die nicht alleine die Sexarbeit betreffen. Armut, soziale Ungleichheit, Konzepte dagegen (bedingungsloses Grundeinkommen)..
Zu sagen, Sexarbeit sei wie jeder andere Beruf, übersieht Gewalt, Stigma und Gefahren.
Um gegen dieses Stigma anzukämpfen, wird ja versucht, die Rechte von SW zu stärken und Sexarbeit "normalisierter" darzustellen und mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
Natürlich kann auch über Gewalt und Gefahren diskutiert werden, aber das muss entsprechend ruhig und sachlich geschehen. Bei zu vielen PNs und Interviewanfragen, die ich erhalte, ebenso bei Beiträgen, die ich hier lese, verspüre ich leider eine gute Portion Neugierde und Sensationslust. Keine Ablehnung, aber mir wird vermittelt, dass ich anders bin als die anderen. Und das sollte sich ändern.
Sprache hilft, löst aber keine tiefen Probleme.
Es gehört zum Prozess der Bewusstseinsbildung, wenn man einander auf Augenhöhe begegnen will.
Von Sexarbeit und nicht von Prostitution zu sprechen.
Zu oft wird über SW geschrieben, als wären es Waren.
Die Idee, dass man Körper "kaufen" kann, SW "probieren" (beides hier im Thread vorgekommen)
Im Freierforum werden SW ernsthaft mit Essenslieferungen und Maschinen verglichen.
Die Demut, im Sinn von Wertschätzung und Dankbarkeit, diese intime Dienstleistung überhaupt (legal) in Anspruch nehmen zu dürfen, und vor den Menschen, die sie verrichten, fehlt leider allzu oft.
Und Kritik an Sexarbeit und jenen die sie ausüben ist nicht zwangsläufig immer Stigma.
Es mag mehr Armut, Härtefälle und Tragödien in der Sexarbeit geben als anderswo. Ja leider.
Aber dabei wird übersehen, dass es auch ganz viele Menschen gibt, die ein "normales" Leben als SW führen und eine gute Work-Life-Balance geniessen, die sie woanders in dieser Form nicht hätten, und bei denen das "Aufhören" unaufgeregt verläuft.
Das überbordende Interesse an Sexarbeit im Gegensatz zu allen anderen legalen Tätigkeiten sowie der Versuch, SW immer wieder zu viktimisieren kategorisieren und analysieren, mag gut gemeint sein. Aber die Grenze zum Stigma ist fliessend...
Würde ich gut heissen, dass meine Kinder als SW tätig wären?
Jein. Als Eltern wünscht man sich das Beste für seine Kinder und dementsprechend einen Beruf, der sowohl sicher ist als auch ein gewisses Prestige innehat. Das ist Sexarbeit definitiv nicht.
Wenn, dann nur unter der Voraussetzung, dass sie finanziell so abgesichert wären, dass sie jederzeit Kunden ablehnen könnten bzw. mit der Tätigkeit aufhören können.
Hätte ich Angst um sie?
Definitiv.
Würde ich ihnen raten, ihre Tätigkeit zu verheimlichen?
Ja, um sie vor verletzenden Reaktionen und Empörung zu schützen. Insofern gilt mein Dank an alle Kolleginnen, die sich öffentlich "zeigen" und als SW deklarieren. Ihr gebt der Sexarbeit ein Anlitz und seid Wegbereiterinnen zu mehr Akzeptanz.