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Das ging mir mit meinem Vater jahrzehntelang auch so. Der konnte immer nur blocken oder blödeln. Oder aggressiv sein -stressbedingt. Ich bin - und wir sind in vielerlei Hinsicht sehr verschieden - wohl das Kind in der Familie, dass ihm emotional am ähnlichsten ist. Jahrzehntelang waren wir uns fremd - bis zu dem Tag, als meine Oma beerdigt wurde. Sie wurde 93 und mein Vater war 62, also wahrlich kein Grund, dies als Katastrophe anzusehen.
Aber als der Sarg sich ins Grab senkte, fing mein Vater haltlos an zu weinen. Das war das erste Mal, dass ich meinen Vater weinen sah. Und ich fühlte mich ihm noch nie so nahe. Und das Gefühl hat bis zum heutigen Tag angehalten.
In Extremsituationen fällt fast jede Maske.
Meine Mutter hat allerdings bis zuletzt immer versucht ihre Maske aufrecht zu erhalten. Es gelang ihr allerdings nicht mehr diese gegenüber mir und meinem Vater ständig aufrecht zu erhalten. Mein Vater fühlte sich erst auch etwas verarschte. Er konnte nicht verstehen, dass sie den ganzen Tag im Bett lag und ihre Ruhe wollte, aber sobald die Spitexfrauen kamen, war sie wie umgedreht und konnte in der halben Stunde witzeln und Spässe machen. Danach war es wieder weg. Ich musste ihm das erklären, damit er dieses Verhalten nicht persönlich nahm, es sogar als Zeichen von Vertrauen ihm gegenüber werten konnte. Ich glaube, mein Vater hat meine Mutter erst im Angesichts des Todes richtig kennen gelernt...
Der letzte verständliche Satz, den ich von meiner Mutter hörte, war dann auch noch ein dummer Spruch... Auch wenn ich diesen Humor irgendwie schätze, ihn auch als Stärke verstand, so hat er auch was beklemmendes und trauriges. Sich nie richtig öffnen zu können, oder nur dann, wenn einem für die ständige Aufrechterhaltung der Maske die Kraft fehlt, ist etwas, dass ich so sicher nicht leben möchte.