Wie schön, dich wieder zu lesen
Da gehts einfach nur darum ob man ein "Etikett" tragen möchte oder nicht. Das muss jeder Selber entscheiden. Die Angst davor als BDSMer zu gelten, die sogar hier recht stark spürbar ist spricht aber für Rubberinchen.
Es stimmt, es geht um Etikettierungen bzw. Schubladendenken. Nicht jeder möchte sich einer Richtung "zuordnen", und ich wundere mich manchmal, wie sehr oft Leute, die sich für etwas Besonderes halten (nicht wertend gemeint, eher i.S. von individuell) bemüht sind, zu beweisen, daß sie im Grunde doch nichts weiter sind als Mitglieder einer großen "Gemeinschaft"
Nein, für Rubberinchen mag ihr Engagement sprechen, in dieser Diskussion geht's aber um die Frage, ab wann man SMler sei - und wie wir sehen, verlaufen die Grenzen sehr fließend.
Solche Fragen lassen sich einfach nicht beantworten, und ich finde, daß jeder Versuch diesbezüglich durchaus auch Gefahrenpotential in sich trägt, nämlich wenn man anfängt, Zuordnungen treffen zu wollen, die geeignet sind, andere zu stigmatisieren.
Ab wann ist jemand "verhaltensauffällig", wenn er Linkshänder ist (ist noch nicht so lange her, da war das so). Oder erst, wenn er Fingernägel kaut? Seiner Frau Ohrfeigen verpaßt? Oder sie nur mit verbundenen Augen von hinten poppt?
Ab wann ist jemand schwul: wenn er als Mann andere Schwänze reizvoll findet? Sich gerne Schwulenpornos reinzieht? 'nen Ständer kriegt wenn er sieht, wie ein anderer sich einen runterholt? Oder wenn er sich von seiner Partnerin 'nen Strapon in den Arsch schieben läßt?
Solche Fragen können wir in nahezu jedem Lebensbereich stellen, und sie dienen immer auch der Abgrenzung gegenüber einer echten oder angenommenen Norm. Sie mögen mitunter hilfreich sein, wenn man den "Normalos" deutlich machen will, daß abweichende Vorlieben oder Verhaltensweisen bei weitem nicht von "abnormalen Exoten" gelebt werden, sondern in vielen Fällen lediglich Steigerung von eigentlich natürlichen Verhaltensweisen.
Aber größer als der Nutzen ist in meinen Augen die Gefahr, innerhalb der eigenen Subkultur einerseits, nach "außen" andererseits damit ein eher trennendes Instrument zu bemühen, das zwar Ottilie Normalsexler als BDSMler annektiert, um die eigene Neigungsgruppe größer erscheinen zu lassen als sie ist, andererseits aber für verhärtete Fronten sorgt, weil die gute Ottilie keinen Bock hat, sich als BDSMlerin einstufen zu lassen und ihrerseits nun versuchen wird, straffere Grenzen zu ihrem als "normal" empfundenen Verhalten gegenüber "denen da" zu ziehen - sprich: statt Toleranz zu erreichen, wird mit solchen Pauschalzuordnungen gegen den eigenen Willen eher das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich will.
Das ist das eine. Das andere:
Ich trage das Etikett sogar mit einigem Stolz.
Darfst du, sollst du. Es ist DEINE Entscheidung.
Ich würde es nicht mit Stolz tragen, und zwar nicht, weil ich BDSM grundsätzlich ablehne, sondern einfach weil es Etikettenschwindel wäre. Ich schrieb weiter oben, daß ich sehr vieles von dem, was unter BDSM "firmiert", für mich persönlich als weichgespülten Kinderkram halte. Das hat weniger damit zu tun, daß ich eine "ganz Harte" wäre sondern lediglich, daß ich genug echte Gewalt physischer und psychischer Natur überlebt habe, daß mir Schnitte oder Schläge allenfalls ein Abschalten des Schmerzes und ein inneres Grinsen über die gespielte Dominanz eines Doms bedeuten würden - sprich: ich tauge für solche Spielereien einfach nicht, auch wenn sie mir in der Fantasie durchaus mal reizvoll erscheinen.
Und ich sehe auch nicht, daß in diesem Forum die "Angst", als SMler zu gelten, besonders ausgeprägt wäre. Wäre dem so, dann könnte man genauso gut behaupten, daß hier eine besonders ausgeprägte Angst vor Schwänzen (wenn ich an die Ava-Diskussionen denke) oder Angst vor Sex (die Mädels hier sind ja so unwillig) herrschen würde. Ich sehe lediglich, daß viele einfach nicht bereit sind, sich in eine Kategorie pressen zu lassen, die in ihrem Leben nur einen untergeordneten Platz einnimmt. Und das gefällt mir ausgesprochen gut.