1. Sex nicht mit Wunsch nach körperlicher Nähe gleichsetzen.
2. Ja.
3. Sex und Liebe sind trennbar, weswegen du den Punkt asexueller Menschen einsehen musstest.
Vor 68 Jahren verlobte ich mich mir einer blutjungen Studentin, nachdem ich ihr wunschgemäss versprochen hatte, auf jeden Geschlechtsverkehr vor der Ehe zu verzichten. Die erste Grundvoraussetzung dafür war, dass wir beide ernsthaft einen Ehepartner suchten, für meine Frau, um als Einzelkind dem Regiment ihres konservativen Elternhauses entfliehen zu können, und für mich, um nicht allein die geplante Auswanderung in die USA antreten zu müssen. Auch eine zweite Voraussetzung war erfüllt, indem wir beide eine mehrköpfige Familie gründen wollten, da wir darin einen wichtigen Sinn der Ehe, ja des Lebens überhaupt sahen. Wir stimmten auch in etlichen anderen Auffassungen und Vorlieben überein, wie in der Akzeptanz der christlichen Ethik, aber ohne Gläubigkeit, in einer freisinnigen politischen Orientierung ohne Parteibindung, im Bekenntnis zur schweizerischen Demokratie, in der Vorliebe für klassische Musik, Ballett und Theater, in der Freude am Paartanz und in sehr viel Freude an der Natur. Ich hielt mein Abstinenz-Versprechen, masturbierte aber jeweils heimlich, wenn mich nach einem Ball oder einer Schmuserei die Hoden schmerzten. Nach der Vermählung übte ich auf der Hochzeitsreise fünf Tage meine Überredungskunst, bis sie in die Defloration einwilligte. Das war unsere erste Ehekrise.
Auch nach Überwindung dieser Blockade stimmten wir, wie sich bald herausstellen sollte, im Liebesleben gar nicht überein: Sie empfand einen Widerwillen vor Intimitäten. Zwar umarmte sie mich gerne, mochte aber aus hygienischen Gründen meine Zungenküsse nicht, und so blieb es bis heute. Diese Intimität erlaubte sie selten und nur deshalb, weil fast alle anderen Liebespaare dies gerne tun. Aus demselben Grund durfte ich lange Zeit ihre Scham nicht berühren, geschweige denn küssen, und noch weniger wollte sie meinem Penis anfassen und schon gar nicht masturbieren, ja es störte sie sogar, wenn ich mit ihm spielen wollte. Wie er ejakuliert, erlebte sie erst, als sie keinen Geschlechtsverkehr mehr haben wollte, aber als Ersatz mir ausnahmsweise einen
Handjob gönnte. Trotzdem lieben wir uns auch nach 65 Jahren Ehe immer noch, weil wir einander zutiefst dankbar sind und gemeinsam die Familie mit 15 Nachkommen zusammenhalten. Dass ich meinen Sexualtrieb mit anderen Frauen (seit 35 Jahren ein- und dieselbe) sowie gelegentlich mit einem Mann auslebte, erfuhr sie nie.