Ich halte gar nichts von den üblichen und auch hier vorzufinden Phrasen: du mußt zuerst dich lieben, erst dann kannst du auch von anderen geliebt werden. Das widerspricht in Wirklichkeit ja den Erfahrungen der allermeisten Menschen, denn auch ich bin schon zu Zeiten geliebt worden, wo ich mich selbst absolut nicht geliebt, sondern sogar abgelehnt und rigoros in Frage gestellt hat, was jedoch nichts daran geändert hat, dass sich einige liebenswerte
Menschen fanden, die mich unabhängig von meiner eigenen Einschätzung toll fanden. Und ich wette, genug von euch haben diese Erfahrung ebenfalls gemacht oder schon mal heiß und innig jemanden geliebt, der/die sich überhaupt nicht leiden mochte, insofern ist es für mich ein Rätsel, warum sich diese Plattitüde dermaßen ausdauernd hält. Als ob unsere Gehirne schon vollends von diversen Ratgebern vernebelt wären.
Es ist jedoch eines durchaus wahr: manche Menschen gehen in ihrer Selbstablehnung so weit, dass sie sich radikal der Zuneigung anderer verschließen oder diese als Irrtum ablehnen, weil sie können doch niemals geliebt werden, so wie sie sind. Und früher oder später gibt natürlich der/die Liebende auf, wenn sich jemand verweigert und darauf besteht, nicht liebenswert zu sein, resigniert man irgendwann. Das sind jedoch nur die wirklich harten Fälle, ich bin mal auf so einen Mann getroffen, der sich aufgrund eines optischen Makels ablehnte und dachte, er wäre hässlich, dabei war er für mich ein wahnsinnig attraktiver Typ mit einer faszinierenden Ausstrahlung. Mein Problem war allerdings, dass er mir das nicht geglaubt hat und ich nach zwei Monaten aufgab, weil mich sein Verhalten zermürbt hat und ich irgendwann emotional ausgelaugt war. Verwunden habe ich das jedoch nie zu 100%, weil er so sehr mein Typ war und ich für ihn unglaublich intensiv empfunden habe, mir passiert so etwas dermaßen selten, dass es eben einen besonderen Wert hat.
Glücklicherweise ein Einzelfall in meinem bisherigen Leben, aber einer, der sich ziemlich eingebrannt hat.
Man kann sich somit leider tatsächlich zu sehr im Weg stehen. Ich glaube, es geht auch gar nicht darum, ob man schön oder weniger toll aussehend ist, wenn man sich auf den Straßen so umsieht, dann finden doch die unterschiedlichsten Menschen Partner und andere wiederum, bei denen man es auf den ersten Blick nicht denken würde, sind oft sehr lange alleine. Ich denke mal, das hat einerseits viel damit zu tun, dass manche zu hohe Ansprüche an potentielle Partner/innen haben und andererseits schwer Zeichen deuten können, denn nicht jede/r fällt gleich mit der Türe ins Haus, die meisten deuten scheu Interesse an und wenn das nicht irgendwie auf Erwiderung stößt, lässt man es wieder sein.
Man braucht also eine grundsätzliche Offenheit und die Bereitschaft sich auf die Umwelt einzulassen, nur so kann man wahrnehmen, was da passiert und wer sich für einen interessiert. Das Ding mit dem gegenseitigen Interesse zur selben Zeit ist für niemanden eine einfache Sache, oft sind es einseitige Angelegenheiten, mal für den anderen, dann wieder für einen selbst und wenn man wie ich zu den Leuten gehört, die eher schwer entflammen, dann kann es schon mal dauern, bis sich auf beiden Seiten das Knistern einstellt. Da gilt es sich nicht entmutigen zu lassen und auch beim zwanzigsten Mal noch zu einem Treffen mit jemandem hinzugehen, auch wenn die neunzehn Begegnungen davor mit diversen Kandidat/innen nix gewesen sind.
Man sollte allerdings auch nicht weltfremd sein: es gibt tatsächlich Menschen, die sich nie in ihrem Leben verliebt haben und nie in einer von Liebe geprägten Partnerschaft waren, für viele mag das unvorstellbar sein, aber das ist genauso ein Teil der Realität, wie vieles anderes, was man eigentlich kaum glauben kann/möchte. Ich bin bisher in die vielversprechendsten Beziehungen eigentlich immer irgendwie reingestolpert, ganz ohne Plan oder fixe Erwartungen und für mich war das immer gut so. Manchmal war ich gar nicht mal bereit für etwas Neues und doch scheint genau dieser Mangel an Erwartungen und Wünschen (bei mir) die beste Grundlage geboten haben, um etwas auch mal in Ruhe und unaufgeregt wachsen und sich entwickeln zu lassen.
Zuerst gilt es sich von Klischeebildern zu befreien und zu glauben, man müßte irgendeinem Ideal entsprechen, um überhaupt eine Chance auf Liebe zu haben, das ist definitiv nicht wahr, eigentlich sollte einem, wenn man Zweifel daran hat, ein ausgedehnter Spaziergang durch die Straßen Wiens genügen, da begegnet man genug Paaren in den unterschiedlichsten "Ausführungen", groß, klein, dick, dünn, breite Nase, schiefer Mund, viel Haare oder gar keine...egal.
Also bitte zuerst einmal Mut fassen, Druck rausnehmen und diverse Phrasen nicht ernst nehmen. Die Sache ist keineswegs verloren, wenn man Zweifel hat oder sich selbst nicht so wahnsinnig toll findet, vorausgesetzt, man verfügt über genug Sehnsucht, um jemanden trotz der Widerstände und Ängste ins Leben zu lassen, denn darum geht es und das gilt für uns alle.